Die Insolvenz der Kryptobörse FTX hat massives Misstrauen in Bilanzen von Kryptobörsen geweckt. Beim Marktführer Binance sorgt ein Bericht von Forbes für Unruhe, der stetigen Abfluss von Kundengeldern belegen soll.
Als spätestens am 8. November 2022 klar wurde, dass die Kryptobörse FTX Richtung Insolvenz schlittert, erschütterte dies die Kryptoindustrie. Schnell stellte sicher heraus, dass bei FTX und verknüpften Unternehmen wie Alameda Research Bilanzen geschönt waren und Grundregeln sauberer Buchführung ignoriert wurden. Seitdem steht Binance als größte Kryptobörse der Welt an vorderster Position in dem Bestreben, ausreichende Liquidität zu beweisen und damit zu verhindern, dass Kunden Vertrauen verlieren und ihre Gelder abziehen. Einen ersten Stresstest im Dezember 2022 bestand Binance ohne Probleme, als innerhalb weniger Tage Anlagen in Bitcoin und Co. im Wert von mehr als 4 Milliarden US-Dollar abheben wurden. Jetzt hat das Wirtschaftsmagazin Forbes nachgerechnet und schreibt, dass seit dem FTX Kollaps bei Binance 12 Milliarden US-Dollar abgezogen wurden, was ein Minus von rund 25 Prozent im Zeitraum von zwei Monaten bei den Einlagen bedeute.
Forbes stützt sich bei seinem Report auf Daten mehrerer Analysedienste, darunter etablierte Namen wie Nansen, DeFiLlama und Coinglass. Dabei fallen Unterschiede auf, beispielsweise veranschlagt Nansen bei den Bitcoin Reserven von Binance gut 40 Prozent mehr als Glassnode. Diese Diskrepanzen seien vermutlich darauf zurückzuführen, dass nicht jeder Datendienst alle Binance Wallets erfasse, heißt es. So hat Forbes für seinen Bericht Durchschnittswerte aus den unterschiedlichen Datenquellen gebildet. Demnach soll Binance am Stichtag 4. Januar 2023 über gut 55 Milliarden US-Dollar an Rücklagen verfügt haben. Von dieser Summe hat Forbes dann noch einmal Reserven in Binance Coin (BNB) abgezogen, um mögliche Risiken durch den von Binance selbst herausgegeben Altcoin auszuschließen. In der solchermaßen bereinigten Bilanz stehen die Rücklagen von Binance bei gut 45 Milliarden US-Dollar.
Fazit: Forbes zeigt Problematik von Vertrauensbeweisen bei Binance und Co. auf
Binance hat sich im Februar 2022 mit 200 Millionen US-Dollar bei Forbes eingekauft und den neuen Bericht nicht kommentiert. Doch die Schlussfolgerung des Artikels, nach der Binance einen Bankensturm (“bank run”) erlebe, dessen Intensität zunehmen können, dürfte CEO Changpeng Zhao (CZ) nicht unbedingt gefallen. Denn CZ sah sich in den letzten Wochen schon mehrfach dazu gezwungen, gegen FUD und Gerüchteküche anzureden. Erschwerend war dabei, dass die von Binance beauftragen Wirtschaftsprüfer von Mazars zwar einmalig die Bitcoin Reserven bestätigten, aber danach alle Mandate für Kryptounternehmen niederlegten. Seitdem findet sich Binance wie Mitbewerber in der Situation wieder, zwar gerne externe Buchprüfer heranziehen zu wollen, aber keinen Anbieter finden zu können.
Zu den von Forbes berichteten Abflüssen von Kundengeldern bei Binance ist außerdem hinzuzufügen: Als Lehre der FTX Insolvenz haben Anleger verstärkt damit begonnen, sich selbst um die Verwahrung ihrer Guthaben zu kümmern, explosionsartig gestiegen Verkaufszahlen von Hardware Wallets sind ein Beweis dafür. So spiegelt sich ein Trend des Gesamtmarkts bei Binance überdeutlich wieder, woraus sich aber zunächst keine Zweifel an der finanziellen Stabilität des Marktführers herleiten lassen.