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Strom, Verwaltungsreform, neue Steuerregeln: Wie die Blockchain Österreich erreicht

source-logo  de.cointelegraph.com 25 Februar 2022 10:15, UTC

Österreich will ein attraktiver Standort für Anbieter von Blockchain-basierten Produkten werden. Die Regierung selbst experimentiert mit der Technologie und versucht, die nötigen rechtlichen Grundlagen zu schaffen und Unternehmen beim Blockchain-Einsatz zu helfen. 

Im Hinblick auf Blockchain-basierte Anwendungen in der Wirtschaft befindet sich Österreich aber noch in der Experimentierphase. Aktuell gibt es vorwiegend Pilotprojekte. Politiker und Experten sehen hier ein Potenzial für ausgewählte Branchen.

Wie steht es um die Blockchain-Akzeptanz in Österreich? Cointelegraph hat versucht, es herauszufinden.

Verwaltungsreform via Blockchain?

Die österreichische Regierung steht Innovationen im Blockchain-Bereich ziemlich aufgeschlossen gegenüber (von Kryptowährungen abgesehen) und unterstützt verschiedene Projekte im öffentlichen und privaten Sektor. 

So hat ein Konsortium von Institutionen der öffentlichen Verwaltung die “Austrian Public Service Blockchain” (APSBC) im Jahr 2019 gegründet. Aktive Teilnehmer der APSBC, das heißt Betreiber jeweils eigener Blockchain-Knoten, sind die Wirtschaftskammer Österreich, die Gemeinde Wien, das Bundesrechenzentrum, die Wirtschaftsuniversität Wien und nic.at/cert.at. Ein Teilnehmer, nämlich die Kontrollbank, ist noch in der Aufbauphase.

Parallel dazu wird gerade die entsprechende Blockchain-Infrastruktur für die Privatwirtschaft aufgebaut. Dafür wurde der Verein “Blockchain Initiative Austria” (BCI) Anfang 2021 gegründet. Hier arbeitet die Austriapro mit dem Austrian Blockchain Center zusammen, um den Aufbau einer sicheren Infrastruktur für die privatwirtschaftliche Blockchain-Nutzung in Österreich zu unterstützen. Die für eine derartige Infrastruktur nötigen Blockchain-Knoten werden von den Vereinsmitgliedern in Form einer „Konsortium-Chain“ gemeinsam betrieben. 

Das erste Pilotprojekt der APSBC und BCI ist die „Daten-Zertifizierung“ bzw. „Dokumenten-Notarisierung“. Dabei werden digitale Fingerabdrücke von Dateien in der Blockchain hinterlegt, um zu einem späteren Zeitpunkt die Unverändertheit der Daten belegen zu können. 

Darüber hinaus unterstützt die Wirtschaftskammer Österreich Unternehmen und Startups mit Informationen zu Blockchain. Dafür wurde 2021 ein ausführlicher Ratgeber für Unternehmen verfasst, der als erste Orientierungshilfe dienen soll, ob der Blockchain-Einsatz für eine geplante Anwendung sinnvoll ist oder nicht. Um die Technologie in der österreichischen Wirtschaft noch stärker zu fördern, wurde in der Wirtschaftskammer auch der Arbeitskreis Blockchain eingerichtet. Die Teilnehmer des Arbeitskreises tauschen sich vor allem zu Blockchain-Themen aus, besprechen aktuelle Initiativen, Best-Practice-Modelle und organisieren regelmäßig Veranstaltungen. 

Steigendes Interesse seitens traditioneller Finanzinstitute

Der Blockchain-Markt in Österreich und seine Anwendungsbereiche verändern sich laufend. Neben der österreichischen Regierung treiben auch Fintech-Firmen und kleine Finanzinstitute die Technologie voran. Kryptohandel, Mining, Verwahrungs- und  Zahlungsdienste sowie die Finanzierung über Initial Coin Offerings (ICOs), Initial Token Offerings (ITOs) und Security Token Offerings (STOs) – das sind die Anwendungsgebiete, wo die Blockchain am häufigsten eingesetzt wird. 

In letzter Zeit wird aber die dezentrale Technologie nicht nur von solchen “klassischen” Krypto-Unternehmen wie zum Beispiel Bitpanda oder von kleinen Finanzdienstleistern benutzt. Die Blockchain weckt auch das Interesse traditioneller Finanzinstitute. So begann die Raiffeisenbank seit Herbst 2020 mit dem eigenen Euro-Stablecoin (Raiffeisen Euro-baked Stable Token, kurz REST) zu experimentieren. Mitarbeiter können mit diesem bereits in der hauseigenen Kantine bezahlen. Mit diesem Pilotprojekt will die zweitgrößte Bank Österreichs einen Übergang zwischen Euro und Stablecoin erforschen und neues Wissen gewinnen.

Auch die von Raiffeisen gegründeten Genossenschaftsbanken sind innovationsfreudig. Die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte zum Beispiel bietet seit 2021 Beratungen zu Bitcoin (BTC) an. Sie will ihren Kunden 2022 auch ermöglichen, über die Bank Bitcoin zu erwerben. 

Neben der Raiffeisenbank experimentiert auch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) mit der Blockchain. Im Jahr 2021 wurde in Österreich das neue Forschungsprojekt Delphi (Delivery vs. Payment Hybrid Initiative) gestartet. Das Ziel dabei ist es, die Emission von Bundesanleihen gegen die Ausgabe eines digitalen Euro zu testen. An Delphi beteiligen die bereits erwähnte Nationalbank Österreichs, die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), die die Staatsschulden des Landes verwaltet, und die OeKB CSD GmbH. Letztere spezialisiert sich auf die Zentralverwahrung von Wertpapieren und ist eine Tochter der Österreichischen Kontrollbank Aktiengesellschaft. Dabei erforschen österreichische Finanzinstitute, wie man Bundesanleihen als Security Token auf eine Blockchain bringen und abwickeln kann. Dazu plant die OeNB, eine sogenannte Zentralbankwährung zur Verfügung zu stellen.

Neben der Raiffeisen Bank experimentieren seit 2018 auch die Erste Group, eine der führenden Bankengruppen in Zentral- und Osteuropa, und die österreichische Infrastrukturgesellschaft Asfinag mit der Blockchain. Beide haben ein Schuldscheindarlehen in Höhe von 20 Mio. Euro über eine digitale, Blockchain-basierte Emissionsplattform ausgegeben. Das war die erste Kapitalmarktemission in Europa, die ausschließlich über die Blockchain abgewickelt wurde. 

Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis war die Notierung eines Bitcoin-Produkts an der Wiener Börse im September 2020. Damit war die Wiener Börse weltweit der dritte offizielle regulierte Markt, der ein Bitcoin-Produkt notiert hat. Damit können nun erstmals Bitcoin- und Ethereum-Produkte des Schweizer Emittenten 21Shares AG am regulierten Markt der Wiener Börse gehandelt werden. Seit August 2021 notiert die österreichische Börse auch Krypto-ETPs von der ETC Group.

“Strom-Sharing” als Energiemodell der Zukunft

Die Wien Energie testet derzeit mögliche Einsätze von Blockchain und Smart Contracts in sogenannten Strom-Sharing-Modellen. Gemeinsam mit dem Startup Riddle & Code entwickelte der österreichische Stromversorger im Juni 2021 eine Blockchain-Infrastruktur, die den Peer-to-Peer-Handel mit Strom ermöglicht. Leute können sich dabei zu einer Energie-Wohngemeinschaft zusammenschließen und ihren selbst produzierten Strom an andere Bewohner innerhalb der P2P-Community verkaufen. Strom, der über Photovoltaikanlagen erzeugt wurde, kann damit über Blockchain gehandelt werden. Für die Einspeisung, Verteilung und den Weiterverkauf über das Stromnetz würden normalerweise hohe Gebühren anfallen. Doch mit dem "Strom-Sharing-Modell" kann dieser Prozess dank der Blockchain ohne Zwischenhändler stattfinden.

Die Wien Energie hat vor, ihre Lösung mit intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) zu erweitern, die von dezentralen Anbietern für eine dynamische Energieeinspeisung auf Basis des ermittelten Angebots und der Nachfrage innerhalb eines Netzes genutzt werden sollen. 

Auch andere führende Energieunternehmen aus Österreich wie Salzburg AG und Verbund AG arbeiten an Peer-to-Peer-Handelslösungen über Blockchain. 

Obwohl der Strom- und Gashandel zu den bisher bekanntesten Anwendungsfällen der Blockchain in der österreichischen Industrie gehört, gibt es solche auch im Bereich Logistikketten (Supply Chain Management). Über die Blockchain können Produkte und Dienstleistungen entlang der gesamten Lieferkette abgebildet und nachverfolgt werden.

Smart Contracts könnten künftig beim Laden von E-Autos oder Bezahlen an Ladestationen zum Einsatz kommen. Große österreichische Transportunternehmen wie LKW Walter und DB Schenker testen elektronische Ladetickets über Blockchain. In Zukunft wollen Unternehmen eine kommerzielle Plattform aufbauen und diese mit den einzelnen Teilnehmern auf den Markt bringen.

Krypto-Steuerreform auf dem Vormarsch

Im kommenden Jahr kommen auch neue Regelungen auf die Anleger zu. Die Steuerfreiheit, die Investoren zuvor nach einem Jahr genossen haben, gibt es nicht mehr. Auf Krypto-Einkünfte fällt ab dem 1. März 2022 ein Steuersatz von 27,5 Prozent an – unabhängig davon, wie lange die Vermögenswerte gehalten wurden. Die neue Besteuerung gilt für alle Kryptowährungen, die seit dem 28. Februar 2021 erworben wurden.

Auch Plattformen wie Bitpanda erwartet ein weltweit einzigartiges Gesetz: Ab dem 1. Januar 2024 müssen sie eine Kapitalertragssteuer an das Finanzamt abführen.

Die neue Krypto-Steuerreform ist ein weiterer Schritt in Richtung Gleichbehandlung von klassischen Aktien und Anleihen mit Kryptowährungen. Mit diesen neuen Regelungen will der Staat mehr Rechtssicherheit für Anleger schaffen und damit Vertrauen in die neue Technologie wecken. Ob es der österreichischen Regierung gelingt, neue Geschäftsmodelle und Anwendungen im Blockchain-Bereich voranzutreiben, wird sich allerdings erst noch zeigen.

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