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Litcoine-Leaks: Ist Protokoll-Entwicklung überbewertet?

source-logo  bitcoinblog.de 13 August 2019 06:40, UTC

Ein Leak aus einem Chat der Litecoin-Foundation offenbart, dass die Litecoin-Entwicklung nahezu eingeschlafen ist. Aber ist das wirklich schlimm?

Gestern sorgte ein Leak aus einem Chat der Litecoin-Foundation für Aufregung. In diesem chatten vor allem Charlie Lee, der Gründer und Chefentwickler von Litecoin, mit Franklin, einem Gründer und Direktor der Litecoin Foundation. Litecoin ist einer der ältesten Altcoins überhaupt. Der Coin ist in fast jeder Beziehung identisch mit Bitcoin, verwendet aber einen anderen Mining-Algorithmus und reduziert das Blockintervall auf 2,5 anstatt der 10 Minuten. Als „Silber zum Gold Bitcoin“ hat Litecoin einen festen Platz im Ökosystem der Kryptowährungen.

Der geleakte Chat beginnt damit, dass Frankly seine „extreme“ Enttäuschung darüber äußert, dass es trotz einer Ankündigung von Charlie Lee, Confidential Transactions (CT) in Litecoin zu integrieren, keinerlei Fortschritt auf diesem Gebiet gegeben hat. „Vor allem, da ich auf Bühnen stehe und jedem erzähle, dass es passiert und wir daran arbeiten.“ Confidential Transactions ist eine Methode, um den Betrag einer Transaktion durch Zero-Knowledge-Proofs zu verschleiern. Sie wird unter anderem von Monero verwendet. Mit ihr wollte Charlie Lee Litecoin nicht nur schneller, sondern auch privater als Bitcoin machen.

Lee antwortet darauf: „Die ehrliche Wahrheit ist, dass niemand Interesse daran hat, zur Litecoin-Protokoll-Entwicklung beizutragen. Zumindest niemand, der technisch kompetent ist.“ Das Problem liese sich nicht mit Geld lösen und bestehe seit den Anfängen von Litecoin. „Es waren immer nur ich, Warren und Trasher.“ Warren wurde, wie Franklyn feststellt, zum Gründungsmitglied von Blockstream und hat seitdem die Litecoin-Entwicklung verlassen. Charlie Lee fährt fort: „Ich habe auch versucht, jemanden als Leiter für das MW [MimbleWimble] Projekt zu finden, da ich es nicht sein will. Aber ich hatte keinen Erfolg.“

Charlie Lee betont zwar, dass es nicht immer um ihn gehen solle. „Es ist schließlich eine dezentrale Währung, oder?“ Doch Franklyn bleibt unzufrieden: „Das passiert, Leute. Ich bin der Direktor der Foundation, und wenn ich nicht sehe, das etwas passiert, dann läuft etwas schief … Wir können nicht nach Geld fragen, aber im privaten sagen, es gibt keinen Entwickler, den wir bezahlen können; Charlie kann nicht sagen, CT wird 2019 kommen, und dann sagen, es ist ihm egal, wenn Leute nach Updates fragen oder erwarten, dass es Fortschritte gibt. Was würde wohl passieren, wenn ich jetzt den Leuten öffentlich erzähle, dass es bei Litecoin keinerlei aktive Entwicklung gibt und dass ich vom Leitentwickler seit Monaten nichts gehört habe?“

Ja, was würden die Leute sagen? In der Litecoin-Community auf reddit scheint es niemanden so richtig zu stören. Und das nicht ganz ohne Grund. Ein zu Flüchen neigender Redditor schreibt: „Leute, diese kleine Tratsch-Kolumne, die ihr Mösen posted, ist niedlich, aber als ich zum letzten Mal nachgeschaut habe, war Litecoin dezentral. Das bedeuted: Es ist verdammt noch mal egal, ob Charlie, Frankly, ihre Mütter, Väter Onkel oder verfluchten Brüder und Schwestern einen Scheiß darauf geben, Code einzureichen. Litecoin hat weiterhin eine bemerkenswerte Netzwerk-Hashrate, und zwar die zweitgrößte nach Bitcoin. Wenn wir in diesem Jahr keine Confidential Transactions bekommen, dann, na und? Wenn niemand Code schreibt … wen verdammt noch mal schert es?“

Anzahl täglicher Transaktionen von Bitcoin Cash (rot), Litecoin (blau) und Dogecoin (gelb). Quelle: bitinfocharts.com

Tatsächlich: Litecoin existiert seit 2012 oder 2013, und die Protokoll-Entwicklung bestand von Anfang an fast nur darin, neue Entwicklungen von Bitcoin zu kopieren. Nur in den wenigsten Fällen hat Litecoin eigene Innovation vorangetrieben. Dennoch ist Litecoin die fünftgrößte Kryptowährung, nur knapp hinter Bitcoin Cash, an manchen Tagen auch davor. Es gibt bei Litecoin konstant 20.000 bis 30.000 Transaktionen am Tag, dem Vernehmen nach wird der Coin für den Transfer von Börse zu Börse sowie im Darknet verwendet. Bitcoin Cash hat seit April ein paar mehr Transaktionen, was mit der Einführung von CashShuffle zusammenfällt, das vermutlich für einen großen Teil der Mehrtransaktionen verantwortlich ist.

Litecoin ist einer der stabilsten, am besten funktionierenden Coins im Kryptomarkt. Und all das ohne eine aktive Entwickler-Community, die das Protokoll verbessert. Kann es sein, dass Protokoll-Entwicklung überschätzt wird? Auch bei Dogecoin findet angeblich seit langem keine Protokoll-Entwicklung mehr statt; und dennoch wird auch dieser Coin seit Jahren auf stabilem Niveau benutzt. Kann es sein, dass ein gewisses Einfrieren des Protokolls aus mangelndem Interesse von Entwicklern sogar seine Vorteile haben kann?

Der Vergleich mit Bitcoin Cash (BCH) ist recht vielsagend. Sowohl Litecoin als auch BCH wollen eine Kryptowährung für alltägliche, leichte Zahlungen sein. Transaktionen sollen schneller und günstiger als bei Bitcoin sein, und die Blockchain soll weiter skalieren, weil sie eine größere Kapazität bietet. Sowohl im Ziel als auch im Angebot sind sich die beiden Währungen sehr ähnlich. Es gibt jedoch einen großen Unterschied bei der Entwicklung.

Bei BCH gibt es eine kleine, aber enorm engagierte Entwickler-Community. Diese hat anders als die Litecoin-Entwickler den Anspruch, den Bitcoin-Code weitläufig zu verändern – etwa durch eine neue Ordnung der Transaktionen in Blöcken (Confidential Transactions), durch neue Signatur-Methoden (Schnorr), durch andere Hashtrees (Patricia-Trees), ein neues Adress-Format (cashaddr), eine Methode des Präkonsens (Avalanche), neue Op_Codes (DSV) und vieles mehr. Und während die Litecoin-Entwickler recht monoton den Code von Core beinah 1:1 kopieren, übernehmen die BCH-Entwickler zwar die eine oder andere Entwicklung von Bitcoin Core, passen diese aber an den eigenen Coin an, etwa um Teile des SegWit-Upgrades ohne SegWit zu übernehmen.

Das Ergebnis ist nicht unbedingt prächtig für Bitcoin Cash: Während Litecoin einfach nur läuft und läuft und läuft, sorgen die Bitcoin-Cash-Entwickler regelmäßig für Bugs und Turbulenzen. Man denke an die Fork von Bitcoin SV, die vor allem durch Upgrades verursacht wurden, die ABC durchgeboxt hat, obwohl sie an sich so unnötig wie unbeliebt waren; an den SegWit-Bug, den sie dabei versehentlich mit eingeführt haben; und an diverse andere Bugs, die die BCH- bzw. ABC-Entwickler im Lauf der letzten 18 Monate (mit-)verursacht haben. Es gab ungefähr 4 bis 5 solcher Vorfälle – während Litecoin einfach nur funktioniert.

Gute, motivierte Entwickler können wertvoll für eine Kryptowährung sein – müssen es aber nicht. Es gibt Dutzende von Kryptowährungen, die von talentierten Entwicklern mit großen Zielen gebildet werden, beispielsweise IOTA, EOS, PivX, Stellar, Cardano, Zcash. Aber auf die tatsächliche Nutzung, als Geld, hat das nur einen geringen Effekt.  Eventuell mag der Markt eben ein Protokoll für eine Kryptowährung, das gut genug ist wie Litecoin, aber ansonsten stagniert, mehr als eines, das von ehrgeizigen Entwicklern totoptimiert wird.

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