de
Zurück zur Liste

Wie der reichste Mann der Welt Bitcoin disst, zum Boss von Dogecoin wird und eine totgeglaubte Diskussion wiedererweckt

source-logo  bitcoinblog.de 17 Mai 2021 12:40, UTC

Manche Leute sind auf Twitter eine wahre Naturgewalt. Dem Tesla-Chef Elon Musk gelang es am Wochenende, mit einigen Tweets einen Sturm in der Twitter-Szene zu entfachen. Es geht dabei um den Stromverbrauch von Bitcoin, die Skalierbarkeit von Kryptowährungen– und, natürlich: Dogecoin.

Zwischen Johannes und Judas liegt oft nur eine Handvoll Tweets. Diese uralte Regel gilt auch für den angeblich reichsten Mann der Welt – für Elon Musk, Mitgründer von PayPal, Boss von Tesla und seit dem massiven Investment seiner Firma in Bitcoin auch ein Held im Krypto-Ökosystem.

Ein Held unter Bitcoinern – bis Ende vergangener Woche. Am Donnerstag begann nämlich eine Beziehungsstreit zwischen Elon Musk und der Szene, und er folgte dem üblichen Schema solcher Streitereien: Er begann harmlos mit der einen Sache, sprang dann, bevor irgendetwas geklärt war, zum nächsten Thema über, stürzte sich ohne Not auf eine Grundsatzdiskussion und eskalierte schließlich so sehr, dass nur noch Scherben übrig blieben.

Als Auftakt: Strom, Kohle, Klima

Als Auftakt tweetete Elon Musk einen Screenshot mit einem Text:

Tesla akzeptiere nicht länger Bitcoins für den Kauf von E-Autos. Man sei besorgt wegen der rasant wachsenden Nutzung fossiler Energien für das Mining. Zwar seien Krytowährungen weiterhin eine grandiose Idee, doch dies dürfe nicht mit einem derart hohen Preis für die Umwelt einhergehen.

Tesla verkaufe keine seiner Bitcoins und habe vor, die Kryptowährung wieder für Transaktionen zu verwenden – jedoch erst, wenn das Mining grüner geworden sei. Man werde sich zudem für andere Kryptowährungen öffnen, welche weniger Energie je Transaktion verbrauchen.

Echt jetzt? Es ist nicht so, dass das eine besonders neue Info wäre. Dass Bitcoin klimaschädlich sei pfeiffen seit Jahren alle Spatzen von allen Mediendächern. Hat Elon Musk das erst jetzt gehört? Und warum steht in dem Text so vieles, das einfach nur falsch ist?

Es ist natürlich blanker Unsinn, den Energiebedarf je Transaktion zu berechnen; der Anteil von Bitcoin am globalen CO2-Ausstoß ist natürlich verschwindend gering; und natürlich weiß auch Elon Musk, dass das Bitcoin-Mining helfen kann, die Energiewende zu vollenden.

Warum also?

Man könnte vermuten, dass Elon Musk auf die Shareholder von Tesla reagiert undempörte Kunden besänftigt. Dass ein grünes Vorzeigeunternehmen wie Tesla in der Öffentlichkeit kein leichtes Spiel damit hat, sich auf Bitcoin einzulassen, was von vorneherein klar. Die Angriffsfläche ist zu groß und zu offensichtlich, die Stigmatisierung als „Klimakiller“ zu einfach, und die Gegenargumentation zu komplex.

Als Bitcoiner könnte man nun registrieren, dass Elon Musk so handeln muss. Man könnte sein Angebot annehmen –und ernsthaft darüber nachdenken, wie man den CO2-Ausstoss des Bitcoin-Minings senken kann. Genügend Kapital sollte vorhanden und die Unterstützung von Tesla gegeben sein. Nie standen die Chancen so gut, die Klima-Problematik zu lösen.

Aber natürlich haben die Bitcoiner nicht so reagiert. Sie warfen Elon Musk die übliche Mischung aus Belehrungen, Beschuldigungen und Beleidigungen entgegen, welche sie so reichlich für Kritiker parat halten.

Dies allerdings war nur der Anfang.

Lieber der Erste bei Doge, als der Zweite bei Bitcoin

Denn schon einen Tag später setzte Elon Musk einen nicht minder kontroversen Tweet hinterher:

Working with Doge devs to improve system transaction efficiency. Potentially promising.

— Elon Musk (@elonmusk) May 13, 2021

Er arbeite mit den Entwicklern von Dogecoin, um die Effizienz der Transaktionen zu verbessern. Kurz darauf erklärt Musk, er unterstütze die Dogecoin-Entwickler schon seit Monaten.

Darin liegt natürlich Dynamit. Elon Musk wird zum Gönner von Dogecoin. Er ist, frei nach Cäsar, lieber der Erste bei Dogecoin als der Zweite bei Bitcoin. Er will eine Währung, die ihm untersteht, und die er so formen kann, wie er es für richtig hält.

Und mit Dogecoin hat er nicht die schlechteste Wahl getroffen: Der Coin ist seit 2014 stabil, ist technisch wenig experimentell, hat ein starkes Meme und überzeugte User, und keine sturköpfig-störenden Entwickler, die sich den Ambitionen von Elon Musk in den Weg stellen könnten.

Der perfekte Coin für eine Übernahme – und der perfekte Coin, um große Ambitionen zu verwirklichen?

Die Bitcoin-Szene reagierte erneut spektisch und teilweise spöttisch bis beleidigend. Dass sich Musk für Dogecopin entscheidet, den Coin, in den am wenigsten Entwicklung geflossen ist, darf man gerne als Schlag in die Magengrube aller Techniker werten

Doge is years unmaintained, a literal joke copy of outdated version of bitcoin with long known vulnerabilities. Factually #Bitcoin doesn't consume incremental power per transaction. And has layer2s like lightning and @Liquid_BTC which amplify capabilities. https://t.co/yxJgQyXAMc

— Adam Back (@adam3us) May 13, 2021

How about you stop manipulating the crypto markets?

— Jeff 💙✌️ (@JeffTutorials) May 13, 2021

Aber noch dahin blieb das Verhältnis zwischen Elon und den Bitcoinern einigermaßen heil. Das jedoch sollte sich zügig ändern …

Einfach mal die Blöcke größer machen …

Denn kurz darauf überschritt der Ingenieur aber die roteste aller roten Linien. Er erläuterte, wie er Dogecoin verbessern wolle:

Ideally, Doge speeds up block time 10X, increases block size 10X & drops fee 100X. Then it wins hands down.

— Elon Musk (@elonmusk) May 16, 2021

Idealerweise beschleunige Dogecoin die Blockproduktion um das Zehnfache, erhöhe die Blockgröße um das Zehnfache, und senke die Gebühren um das Hundertfache.

Denn wenn das Transaktionsvolumen hundertfach steige und die Gebühren hundertfach sinken, dann blieben die vereinnahmten Gebühren dieselben. Und das, ein hohes Volumen und geringe Gebühren – genau das brauche eine Währung für die ganze Welt.

Das war es dann also. Man kann Bitcoins Energieverbrauch kritisieren. Gerne! Man kann aufhören, Bitcoins im Verkauf zu akzeptieren. Man kann sogar mit Dogecoin zum Gönner einer alternativen Währung werden. Alles in Ordnung! Aber zu behaupten, man können eine Kryptowährung skalieren, indem man größere Blöcke erlaubt: Das geht überhaupt nicht!

Wir hatten das Thema von 2015 bis 2018 in den Blocksize-Kriegen um die Skalierbarkeit. Diese haben damit geendet, dass Bitcoin bei kleinen Blöcken blieb, dass Skalierung (irgendwann) über Lightning oder andere Offchain-Verfahren laufen muss – etwa die Sidechain von PayPal -, dass Bitcoin vor allem ein dezentrales digitales Gold unddie Eignung als Zahlungsmittel nachrangig ist; und dass all dies als eine Wahrheit zu gelten hat, die nicht subjektiv, sondern naturwissenschaftlich-objektiv, mehr Naturgesetz als Überzeugung ist, weshalb jeder, der sie nicht teilt, entweder dumm ist oder maliziöse Absichten hegt.

Es folgte, unvermeidbar, eine Flut an Belehrungen, Beschuldigungen und Beleidigungen. Ein paar zufällig ausgewählte Antworten von einigermaßen bekannten Bitcoinern:

Do you really think in ~12 years no-one has tried the *very* basic approach of playing with #Bitcoin's variables?

Research Lightning and L2 solutions. Exponential scaling.Decentralisation matters.

— Alistair Milne (@alistairmilne) May 16, 2021

🤣 this guy has to be joking.There’s no way he’s this lost right now.

— 🟩Preston Pysh🟩 (@PrestonPysh) May 16, 2021

We already have PayPal and Venmo…we already have fast and free money transfers.What we need now are secure, decentralized, permissionless, and private transactions.

— Ari Paul ⛓️ (@AriDavidPaul) May 16, 2021

You realize you're talking to someone that <actually> understands blockchain and blockchain bloat unlike the con artists you've obviously been talking to.

— WhalePanda (@WhalePanda) May 16, 2021

Dem Podcaster Peter McCormack fiel schließlich nichts besseres ein, als Elon Musk den „perfekten Troll“ zu nennen – jemand, bei dem man nicht wisse, ob er trolle oder nicht.

1/ Dear @elonmusk. The perfect troll is one where people don't know whether it is a troll or not. Your recent poorly informed criticism of #bicoin + support for Doge may be the perfect troll…or you might actually believe this (God I hope not).

— Peter McObnoxious (@PeterMcCormack) May 16, 2021

Vielleicht trolle Elon ja, wenn er armselig informiert Bitcoin kritisiere und Dogecoin unterstütze – aber vielleicht trolle er auch nicht und meine das tatsächlich ernst. Für diesen Fall doziert Peter: Doge sei ein Meme, ein Witz ohne Entwickler oder echten Nutzen, und die Blocksize-Debatte, die Elon Musk da wieder eröffne: sie sei lange vorbei, eindeutig und glasklar entschieden. Bitcoin sei die einzige dezentrale Kryptowährung, die echte Zwecke erfülle.

Irgendwann, in dieser Flut an Belehrungen und Beleidigungen, hat es Elon Musk wohl gereicht. „Widerliche Threads wie dieser erwecken in mir den Wunsch, alles auf Doge zu setzen“, antwortet er Peter McCormack. Bitcoin, so der Tesla-Boss, sei „hochgradig zentralisiert“, da eine Handvoll von Minern die Hashrate kontrolliere. Erst kürzlich habe eine einzelne Kohlemine, die in Xinjian geflutet wurde, die Hashrate um 35 Prozent abstürzen lassen. „Klingt das ‚dezentral‘ für dich?“

Streit ist kein Nullsummenspiel!

Ihr dürft nun genau einmal raten, was er damit auslöste.

Habt ihr euren Tipp abgegeben?

Richtig, was sonst: Es gab noch mehr Belehrungen, noch mehr Beschuldigungen, noch mehr Beleidigungen. Elon solle lernen, dass Miner und Pools nicht dasselbe seien; er solle sich über das Lightning-Netzwerk informieren; er, der Egomane, wolle alles kontrollieren und verstehe Bitcoin nicht; er werde gar zum Roger Ver von Dogecoin, demonstriere, wie wenig Ahnung er vom Thema habe, oder, einfach und direkt: „Fick dich Elon, du nervst!“

The Roger Ver of Dogecoin.Go, Elon, go.

— 🟩Preston Pysh🟩 (@PrestonPysh) May 16, 2021

And yet another completely uneducated and wrong take.
Just showing how clueless you really are. pic.twitter.com/ll12grpAf1

— WhalePanda (@WhalePanda) May 16, 2021

Fuck off Elon, you are annoying.

— Michaël van de Poppe (@CryptoMichNL) May 16, 2021

Und wie so oft – Scherben von der einen plus Scherben von der anderen Seite ergeben mehr als die Summe der Scherben. Sich zu streiten ist kein Nullsummenspiel!Als jemand sagte, er würde es nach all dem Hass verstehen, wenn Elon alle Bitcoins von Tesla verkauft, nur um es der Szene heimzuzahlen, antwortete Elon mit „In der Tat“. Er stellte aber auch klar, dass Tesla (noch) keinen einzigen Bitcoin verkauft habe.

Aber, pfff — will Elon den Bitcoiner wirklich damit drohen, Schluss zu machen? Das kann nur eine Reaktion nach sich ziehen, wie der Twitter-Account des Bitcoin-Magazins Citadel21 vorführte:

Hey @elonmusk,

Go ahead, please sell all your BTC, and Tesla's too.
Bitcoin doesn't need you.
It laughs at your oversized ego.
You will learn at some point.
But for now, GTFO, sell all your coins, you are not worthy.
The plebs will make sure to stack your sats.
Thanks.

— citadel21.com 🏰 (@ctdl21) May 16, 2021

Elon solle doch seine Bitcoins verkaufen, und die von Tesla auch gleich mit. Bitcoin brauche ihn nicht, sondern lache über sein aufgeblasenes Ego. Er werde das irgendwann auch lernen. Aber jetzt, jetzt solle er sich zum Teufel nochmal verpissen und alle seine Coins verkaufen. Er sei sie gar nicht wert. Andere sammelten sie dankbar ein. Und so weiter.

Wir könnte an der Stelle natürlich noch lange durch diesen Sumpf an Vorwürfen und Gegenvorwürfen waten, und wir könnten natürlich noch all jene hochgradig peinlichen Versuche der Altcoiner erwähnen, Elon Musk ihren Lieblingscoin zu verkaufen: IOTA, Ripple, Bitcoin SV (BSV), Bitcoin Cash, Nano, Stellar – kaum eine Community konnte es sich verkneifen, sich dem Tesla-Boss anzubieten, obwohl der sich offensichtlich schon längst entschieden hatte.

Wir könnten, wie gesagt, noch lange auf diesem Twitter-Drama herumreiten. Aber stattdessen versuchen wir, ein paar Lektionen daraus zu ziehen. Was sagt all das nun aus?

Drei Lektionen

Erstens ist der Energieverbrauch von Bitcoin ein Problem für die Öffentlichkeit, trotz all der exzellenten Argumente, weshalb das Mining kein Problem fürs Klima ist. Der Zusammenhang ist so bestechend einfach, dass sich ihm jemand wie Elon Musk nicht entziehen kann. Wenn man will, dass Bitcoin öffentlich akzeptiert wird, besteht Handlungsbedarf – unabhängig davon, was die Wahrheit ist.

Zweitens ist Dogecoin nun der Coin von Elon Musk, der nicht nur der vermutlich reichste Mann der Welt ist, sondern als Mitgründer von PayPal auch viel übers Zahlungswesen weiß. Damit dürfte Dogecoin nicht so schnell wieder in der Versenkung verschwinden, wie er aus dieser hervorgestiegen ist, sondern hat gute Chancen, dauerhaft einer der Top-Coins zu bleiben.

Drittens ist die Blocksize-Debatte nicht so sehr vorbei, wie viele sich das wünschen. Wir sehen das auch daran, wenn die Binance Smart Chain (BSC) mehr und mehr zur Konkurrenz von Ethereum wird, wenn alle Versuche, die User zu „Second-Layer-Lösungen“ zu treiben, zu Lightning oder Rollups, an den Usern scheitern. Und wir sehen das nun bei Elon Musk. „Sein“ Coin, Dogecoin, wird nun womöglich zum neuen Flaggschiff der Big Blocker – und verleiht einem eigentlich schon abgeschlossenen Drama eine überraschende Zugabe.

bitcoinblog.de