Das größte Ethereum-Rollup Arbitrum hat vor kurzem durch einen Airdrop die ARB-Token verteilt. Diese Token sollen zur Grundlage einer DAO werden, die Arbitrum regiert. Doch schon die erste Abstimmung endet mit einem Skandal. Ist die DAO in Wahrheit ein DINO?
Vor kurzem hat auch Arbitrum, die derzeit wichtigste Layer-2 für Ethereum, Governance-Token per Airdrop verteilt. Wer in der Vergangenheit Arbitrum verwendet hat, kann hoffen, ebenfalls am Airdrop teilzunehmen und zum Teil gute “Dividenden” zu kassieren.
Die ARB-Token haben derzeit einen Wert von etwa einem Euro zwanzig, und wer das Rollup einigermaßen intensiv benutzt hat, erhielt mehrere tausend Token. Es lohnt sich also definitiv, die Webseite anzusteuern und zu sehen, ob man ebenfalls sein Päckchen Token abholen kann.
Die erste Abstimmung endet im Eklat
Es gibt wenig Zweifel daran, dass Arbitrum ein seriöses, gutes Projekt ist, das einen erheblichen Beitrag dazu leistet, Ethereum und Dezentrale Finanzen zu skalieren. Fragwürdiger sind aber schon jetzt die Governance-Rechte, die mit den Token verbunden sind.
Eigentlich, so die Idee, sollen die Token helfen, das Projekt zu dezentralisieren, indem nicht länger die Gründer und Entwickler über alles entscheiden, sondern eine DAO – eine Dezentrale Autonome Organisation – welche aus den Besitzern der Token besteht. Das ist ganz und gäbe bei Airdrops und hat für die Gründer auch den Vorteil, dass sich sich der Verantwortung entledigen. Nicht mehr sie haben die Kontrolle über Arbitrum – sondern die DAO, weshalb sie auch nicht mehr haftbar sind. So zumindest die Theorie, die in der Praxis aber oft anders ausgeht.
Doch damit dies nicht nur eine Maskerade ist, um der Haftung für etwas zu entgehen, für das man eigentlich haften müsste, müssen die Token-Besitzer auch tatsächlich Kontrolle ausüben. Und schon die erste Abstimmung, über den Vorschlag AIP-1, führt in eine scharfe Kontroverse, die den Anspruch der Dezentralisierung fragwürdig macht. Arbitrum – bzw. die von den Gründern geführte Arbitrum Foundation – stellte mit dem ersten “Arbitrum Improvement Proposal” (AIP) ein Setup für die DAO vor. Dieses sah auch vor, eine Foundation einzurichten, die 750 Millionen ARB-Token ausgeben kann.
Die DAO stimmte mit einer starken Mehrheit gegen AIP-1 – doch die Foundation hatte einen Teil der Token bereits ausgegeben. Die Wahl sei nur eine Formalität gewesen. Die Dezentralisierung durch die Token, heißt es nun, ist eine Farce, so ähnlich, wie die Wahl von Staatsführern in kommunistischen Staaten, und Arbitrum keine DAO, sondern eine DINO: Decentralized in Name only.
Arbitrum foundation made a proposal (AIP-1) to allocate 750M ARB tokens for admin and op costs, but $ARB holders voted against it
Now they said the vote was just a formality, and they have already spent 50.5M (6.7%) of the proposed 750M $ARB
Your vote is not vote pic.twitter.com/lvhBbBesum
— Eden Au (@0xedenau) April 2, 2023
Nimmt die Geschichte der Arbirtum-DAO damit ein unrühmliches Ende, noch bevor sie wirklich begonnen hat? Und was lehrt sie uns über DAOs und Governance-Token? Wir gehen dem Drama möglichst unaufgeregt auf den Grund.
AIP-1: Das Setup einer hybriden DAO
AIP-1, hier im Volltext, sollte eine grundlegende Struktur für die Arbitrum-DAO bilden, die durch die Besitzer der ARB-Token regiert wird. Das ist ein spannendes und wichtiges Thema. Denn wenn man annimmt, dass DAOs künftig die Basis internationaler Institutionen und des globalen Finanzsystems werden – ich sehe keine sinnvolle Alternative dazu – wird deren “Governance” für jeden Menschen der Welt bedeutsam sein.
Die Arbitrum-DAO wird, so AIP-1, über die Entwicklung von Arbitrum durch Onchain-Wahlen entscheiden. Nur die Änderung, die eine Mehrheit der Token-Besitzer gutheißt, schafft es ins Protokoll. Ferner wird die DAO eine Schatzkammer mit 3,5 Milliarden ARB-Token erhalten, über deren Verwendung sie ebenfalls durch Onchain-Abstimmungen entscheidet.
Sowohl das Protokoll als auch die Schatzkammer sind onchain, weshalb es möglich ist, sie rein durch eine DAO zu verwalten. Den dennoch notwendigen Kontakt mit der Welt außerhalb der Blockchain wird eine Founndation übernehmen, die auf den Cayman-Inseln gegründet wird, die Arbitrum Foundation. Sie bildet sozusagen den juristischen Leib der DAO sowie deren Glieder. Sie soll ihr dienen, von ihr geführt werden, und die AIPs, die die DAO beschließt, umsetzen.
Darüber soll die Foundation auch „Special Grants“ verteilen, wofür sie eine eigene Wallet hat, in die 750 Millionen ARB-Token eingezahlt werden. Diese Grants können ohne den onchain stattfindenden AIP-Prozess ausgezahlt werden, was Entscheidungen beschleunigt und einer Wahlmüdigkeit der DAO vorbeugt. Ein weiteres Funding der Wallet wird jedoch nur durch einen Beschluss der DAO möglich sein.
Die Arbitrum-DAO wird also eine hybride Struktur haben, sowohl onchain als auch offchain, sowohl dezentral als auch zentral. Die Kosten, um dieses Setup einzurichten, betragen zunächst einmalig 3,5 Millionen Dollar.
Das AIP kam allerdings nicht gut an. Der Großteil der DAO entschied sich vehement dagegen – mehr als 83 Prozent. Der Vorschlag scheiterte krachend.
Die Abstimmung, die eigentlich gar keine sein sollte
Dass ein Vorschlag in einer dezentralen Organisation scheitert, ist nichts Besonderes und auch nicht schlimm. Im Gegenteil – es zeigt, dass die DAO nicht einfach nur abnickt, was zentrale Parteien beschließen, sondern genau das macht, was sie machen soll.
Das Problem beginnt mit dem, was danach geschah. Besser gesagt – davor. Denn die Arbitrum Foundation hatte schon damit begonnen, die Token, die sie sich durch AIP-1 zuschreiben wollte, zu verwenden. Sie hat rund 50 Millionen Token, die ihr nach Ansicht der DAO-Mitglieder gar nicht gehören sollten, überwiesen.
40 Millionen davon gingen als Darlehen, erklärt die Foundation etwas später, an einen “kenntnisreichen Akteur auf den Finanzmärkten”, die restlichen 10 Millionen wurden gegen Stablecoins gewechselt, um die kurzfristigen Betriebskosten zu decken und das Setup zu finanzieren.
6/ Regarding the on-chain transfers of 50M $ARB tokens, 40M $ARB tokens have been allocated as a loan to a sophisticated actor in the financial markets space. The remaining 10 million has been converted to fiat and dedicated towards operational costs.
— Arbitrum (💙,🧡) (@arbitrum) April 2, 2023
Nicht ganz glücklich rechtfertigte Patrick McCorry von der Arbitrum Foundation das Vorgehen, indem er sagte, AIP-1 habe lediglich den Zweck gehabt, über Entscheidungen zu informieren, die schon vorher getroffen worden waren. Die Token-Besitzer hätten bei dieser Frage gar kein Stimmrecht gehabt.
Das führte natürlich zu Empörung. Wozu stimmt man ab, wenn die Akteure, die die Abstimmung umsetzen, sich nicht daran halten? Ist die ganze DAO nur ein Schmierentheater, so, wie Kritiker und DAO-Skeptiker schon lange sagen?
Oder? Schauen wir uns nochmal genauer an, wie Arbitrum bzw. die Foundation argumentiert. Diese nimmt nämlich ausgiebig Stellung zum Debakel.
„Das am stärksten dezentrale Rollup“
Zunächst erkennt die Arbitrum Foundation an, dass AIP-1 gescheitert ist. Sie gelobt, aus den Fehlern zu lernen und es beim nächsten Anlauf besser zu machen. Der derzeitige Entwurf wird nicht umgesetzt.
Mit AIP-1 habe man versucht, die Arbitrum DAO so aufzusetzen, „dass sie das am stärksten dezentrale Rollup begründet“. Und trotz der unglücklichen Kommunikation werde man an diesem Anspruch festhalten. Nun erst recht!
Thanks to all the DAO participants and delegates for their feedback on AIP-1. It likely will not pass and we are committed to addressing the feedback received from the community.
More details in the thread 🧵👇
— Arbitrum (💙,🧡) (@arbitrum) April 2, 2023
Arbitrum sei die einzige Layer-2, bei der die Besitzer der Token gleichzeitig über Upgrades durch Onchain-Governance entscheiden, die Direktoren der Foundation benennen und entfernen und eine Onchain-Schatzkammer direkt kontrollieren können. Kein anderes L2-Projekt treibe den Gedanken einer DAO so weit wie Arbitrum, kein anderes übergebe die Kontrolle in so weitem Umfang an die Besitzer der Token.
Die Foundation sei ein notwendiges Puzzlestück in der DAO und damit wichtig für deren Erfolg. Natürlich sind 7,5 Prozent aller ARB-Token, über welche die Foundation frei verfügen kann, viel. Doch andere Projekte, etwa Avalanche oder Solana, weisen den Foundations 9,26 oder gar 12,5 Prozent der Token zu.
Anders als viele andere Projekte mit Airdrop hat Arbitrum den weiten Großteil der Token an die DAO vergeben, anstatt an die Entwickler, eine Foundation, Grants oder Investoren. Tatsächlich sticht Arbitrum positiv heraus, wenn man es etwa mit Polygon vergleicht.
Die Kommunikation, räumt das Team ein, sei jedoch suboptimal gewesen und man verstehe das als Gelegenheit, zu lernen, es besser zu machen.
Man hätte von Anfang an klarer machen sollen, dass AIP-1 nicht als Abstimmung gedacht war, sondern als Bestätigung des Setups der DAO.
Die 10 Millionen ARB-Token habe man gegen Fiatgeld getauscht, um schon vorher existierende Verträge zu erfüllen und kurzfristige Betriebskosten zu finanzieren. Schon allein 3,5 Millionen Dollar waren notwendig, um das durch AIP-1 beschriebene Setup aufzusetzen.
Mit AIP-1 habe es mehrere Probleme gegeben. So sei der Vorschlag zu lang und vielschichtig, weshalb man ihn aufspalten werde. Auch fehlten beim 750-Millionen-ARB-Fonds der Foundation Sicherheiten, Transparenz und Mitbestimmungsrechte der DAO.
All dies, so die Foundation, werde man in künftigen Vorschlägen nachholen. Damit reagiert sie also auf die Entscheidung der DAO. Die erste Wahl von Arbitrum, die auf den ersten Blick in einem Debakel mündete, könnte damit der Startschuss dafür sein, eine ernsthaft dezentrale Struktur zu schaffen. In jedem Fall gab er dem Team Gelegenheit, es ernst mit den eigenen Ansprüchen zu meinen.