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Mehr als 60 Prozent der Miner signalieren Zustimmung zu Taproot

source-logo  bitcoinblog.de 25 November 2020 05:40, UTC

Das beliebte Taproot-Upgrade des Bitcoin-Protokolls nähert sich langsam der Wirklichkeit: Ein Großteil der Miner ist dafür, es zu implementieren. Doch der Prozess des Upgrades durch eine Softfork wird sich noch hinziehen …

Geduld ist eine der großen Tugenden, denn alles, was wichtig ist, braucht seine Zeit, und das, was vor seiner Zeit in die Wirklichkeit gezerrt wird, bricht oft in sich selbst zusammen. Auch in der Bitcoin-Entwicklung ist Geduld eine Tugend, ohne die überhaupt nichts geht.

Im Januar 2018 hat Gregory Maxwell das Upgrade Taproot vorgeschlagen; den damit einhergehende Signaturalgorithmus Schnorr wollten Adam Back und seine Verbündeten schon seit mindestens 2015 zu Bitcoin bringen. Andere Entwickler hätten vielleicht nicht die Geduld gehabt, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten.

Doch nun, bald drei Jahre später, stimmen gut 60 Prozent der Miner dafür, das Upgrade durch eine Softfork zu aktivieren. Die vier großen Pools Poolin, F2Pool, AntPool und BTC.com haben bereits ihre Zustimmung zum Upgrade signalisiert. Noch kein Signal haben die großen Pools von Binance und Huobi gesendet, was unter Umständen daran liegen könnte, dass es sich um die Pools von Börsen handelt, welche wissen, welche regulatorischen Schwierigkeiten die mit Taproot einhergehende Verbesserung der Privatsphäre mit sich bringen könnte. Dazu weiter hinten im Text mehr.

Abstimmung über die Abstimmung

An sich ist Taproot eine unkontroverse Verbesserung. Daniel Frumkin von SlushPool erklärt Coindesk, es wäre „ein Schock“, wenn andere Pools gegen das Upgrade wären. Er erwartet, dass die anderen Miner im Lauf der kommenden Wochen ihre Unterstützung signalisieren und das Upgrade ohne Drama durchgehen wird. Die einzige verbleibende Unsicherheit sei es, wann und wie Taproot aktiviert werde.

Tatsächlich steht noch nicht fest, durch welchen Mechanismus die Softfork Taproot in Kraft treten soll. Eine Softfork bedeutet, dass eine oder mehrere neue Regeln eingeführt werden. Normale Full Nodes, wie sie User oder Börsen betreiben, sind davon nicht direkt betroffen; sie können upgraden, um die neu eingeführten Features zu nutzen und zu erkennen, müssen es aber nicht. Miner hingegen müssen bei einer Softfork upgraden, um weiterhin gültige Blöcke zu generieren. Weil also nur ein sehr kleiner Teil des Netzwerks verbindlich zu einem bestimmten Zeitpunkt upgraden muss, gilt eine Softfork als ein relativ sicheres Upgrade des Protokolls, ganz im Gegenteil zu einer Hardfork, die das Upgrade aller Knoten verlangt.

Wie aber sollen sich die Miner abstimmen, um das Upgrade zu koordinieren? Ohne, dass es zu einer Spaltung der Chain oder sonstigen Turbulenzen kommt?

Für Taproot stehen mehrere Aktivierungsmechanismen zur Auswahl, vor allem Variationen der Signalisierung durch die Blöcke mit Bip8 und Bip9. Die meisten davon sehen eine Signalisierungsperiode von mindestens einem Jahr vor, in dem die Miner über die Coinbase der Blöcke ihre Zustimmung bekunden, bevor das Upgrade in Kraft tritt. Selbst ohne ein besonderes Engagement der Miner würde dies bei normalen Upgrade-Zyklen vermutlich ausreichen, um ein reibungsloses Upgrade zu gewährleisten. Welche der zur Debatte stehenden Varianten am Ende über das Upgrade entscheiden, ist derzeit noch ungewiss; die einen Miner sind für diese, die anderen für jene.

Klar ist aber: Es wird noch eine gute Weile dauern.

Mehr Privacy – oder doch weniger?

Taproot selbst ist eine relativ komplexe Änderung des Protokolls mit einem für Laien schwer durchschaubaren Effekt.

Es wird den Signaturalgorithmus Schnorr einführen, der etwas weniger Platz braucht, Multisigs effektiver macht und potenziell auch die Privatsphäre normaler Transaktionen verbessert. Darüber hinaus erlaubt die Verbindung von Schnorr und Taproot es, über Hashbäume komplexe Smart Contracts in Hashes zu packen, wodurch die Bedingungen der Gültigkeit von Transaktionen erst bekannt werden, wenn diese auf der Blockchain landen.

Mit Taproot wäre es beispielsweise möglich, einen extrem komplexen Multisig-Vertrag zu bilden – mit hunderten von Teilnehmern – der aber auf der Blockchain genauso aussieht wie eine normale Bitcoin-Adresse. In Taproot gehen Skalierung und Privatsphäre Hand in Hand.

Über die tatsächlichen Vorteile der Privacy von Taproot wird in der Krypto-Szene diskutiert, und wie so oft bleibt die Diskussion einseitig. Der Gedanke, dass eine Erhöhung der Privatsphäre auf Protokollebene einen großen, nicht-wiedergutzumachenden Schaden für einen Großteil der User und Investoren anrichten kann, der, wie das Beispiel von Monero zeigt, bis hin zu einem flächendeckenden Verbot reichen kann – dieser Gedanke ist in der Bitcoin-Szene undenkbar, da Privatsphäre hier als ein nicht zu hinterfragender ethischer Endpunkt gilt. Allein schon die Idee zu haben ist eine Sünde.

So kommt es, dass das „mehr an Privatsphäre“ gänzlich undiskutiert bleibt, während Befürchtungen laut werden, Taproot schaffe versehentlich „weniger Privatsphäre.“ So wütet der Blockchair-Boss Nikita Zhavoronkov auf Twitter gegen Taproot:

Taproot HAS TO BE STOPPED. While it is marketed as a “privacy upgrade” amongst other technobabble required for Blockstream’s phony “innovations”, in reality IT DEGRADES THE OVERALL PRIVACY LEVEL by introducing a new address format (P2TR)! Chainalysis and cronies will be happy! https://t.co/RCRfGcBTWL

— Nikita Zhavoronkov (@nikzh) November 21, 2020

Taproot, so die deutsche Übersetzung, „MUSS GESTOPPT WERDEN.“ Es werde als „Privacy Upgrade“ beworben, doch in Wahrheit „SENKT ES DAS GESAMTNIVEAU DER PRIVATSPHÄRE indem es ein neues Adressformat einführt“ – P2TR. Analysten wie Chainalysis werden sich freuen!

Man muss dazusagen, dass Nikita ein vehementer Kritiker der Bitcoin-Core-Entwickler ist, als solcher schon lange gegen diese stänkert, sobald sich ihm eine Gelegenheit bietet, und relativ lange eng mit der Bitcoin-Cash-Szene war, bevor er seine Sympathie Ethereum zuneigte. Er ist, um es so zu sagen, nicht ganz neutral.

Ein wissenschaftliches Paper bestätigt ihn jedoch. Es bescheinigt Taproot nur „minimale Auswirkungen“ auf das Clustering von Adressen – das weiterhin möglich sein wird – und prognostiziert sogar weitere Clustering-Methoden durch Taproot, die von den Implementierungen der Wallets abhängen. Was Nikita jedoch vor allem kritisiert, ist, dass die Einführung eines neuen Transaktionsformats weitere Unterschiede schafft, was die Privatsphäre insgesamt fast zwingend reduziert.

Der Taproot-Erfinder Gregory Maxwell reagierte auf Nikita Zhavoronkovs Kritik auf seine unverwechselbare bissig-informative Art. „Bösartige Scamcoiners“ seien nun dabei, eine „Kampagne zu starten, um Taproot anzugreifen.“ Das Kernargument, dass Taproot Privatsphäre vernichtet, indem es mehr Transaktionsformate schaffe, sei „hochironisch, da es eines der Hauptfeatures von Taproot ist, dass es solche Unterschiede weniger erkennbar macht.“ Es gibt derzeit eine Vielzahl an Transaktionsformaten, und Taproot führt tatsächlich ein neues ein, „doch die meisten anderen Formate können mit Taproot ausgedrückt werden, ohne sich voneinander zu unterscheiden. Daher wird Taproot genau dieses Problem der verschiedenen Arten von Transaktionsformaten erheblich verbessern.“ Sobald Taproot weit verbreitet sei, würde sich das Anonymitäts-Set von Bitcoin verbessern.

Und wann, richtet er sich an Nikita, habe dieser gegen Schnorr „in BCash“ gewütet? Wann gegen 4-5-Multisig, wann gegen p2sh? Wann haben ihn die „ständigen Airdrops durch Hardforks von Scamcoins“ gestört, die er bewerbe? Jedesmal, wenn Leute bei einer solchen Fork ihre Forkcoins abspalten und verkaufen, verlieren sie ein Stück Privatsphäre. „Doch du hast nichts gesagt.“ Warum wettere er nicht gegen die Privatsphäre von Altcoins wie Bitcoin Cash, die schon allein wegen des viel tieferen Transaktionsvolumens viel weniger privat seien als Bitcoin? Und wann höre er endlich auf, „ein intellektuell unehrlicher Feigling“ zu sein?

Nikita antwortet darauf, natürlich. Er sagt unter anderem – und zu recht – dass die Verbreitung von SegWit „ein Desaster“ gewesen sei, da auch nach drei Jahren gerade mal 50 Prozent der Transaktionen SegWit verwenden, und nur 13 Prozent die nativen SegWit-Adressen im bech32-Format. Für Taproot sei dies nicht anders zu erwarten, weshalb das Upgrade zunächst einmal die Privatsphäre stören würde. Wobei er natürlich dem grundlegenden Gedanken zustimmt und es toll fände, wenn Taproot innerhalb von wenigen Monaten 90 Prozent der Transaktionen stelle …

Insgesamt sehen sowohl Nikita Zhavoronkov als auch Gregory Maxwell die Lage an sich gleich. Der Unterschied liegt nur in der Perspektive und der Menge an Geduld, die die beiden mitbringen.

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