Wenn über die ökologischen Folgen des Minings geklagt wird, ist der Ruf nach einem Verbot oft nicht weit. Dabei kann dies genau das Gegenteil erreichen – was nun sogar wissenschaftlich erwiesen ist.
Ende Oktober erschien das Paper „The Unintended Carbon Consequences of Bitcoin Mining Bans: A Paradox in Environmental Policy„, zu deutsch: die unbeabsichtigten CO2-Konsequenzen eines Bitcoin-Mining-Verbots: Ein Paradox der Umweltpolitik.
Jeder, der sich mit Umweltpolitik beschäftigt, sollte die Lauscher spitzen!
Mining ist ein Nullsummenspiel
Die Autoren des Papers forschen für das University College in London und den Thinktank Exponential Science. Die ökologischen Folgen des Minings, erklären sie, „stellen eine signifikante Sorge dar, welche mehrere Regierungen veranlasst haben, ein Verbot des Minings zu diskutieren oder einzuführen.“ Eine solche „wohl-intendierte Politik“ könne aber „unintendierte“ Konsequenzen haben – und zwar genau das Gegenteil von dem, was sie bezweckt.
Die Theorie ist einfach, und man muss nicht so viel über Bitcoin wissen, um sie nachzuvollziehen: Mining ist ein Nullsummenspiel. Die Anzahl neu geschöpfter Bitcoins bleibt unabhängig von der Anzahl der Miner konstant. Derzeit 3,125 BTC in zehn Minuten. Wenn man eine Goldmine schließt, wird weniger Gold gefördert – wenn man eine Bitcoin-Mine schließt, schürfen die anderen Miner schlicht mehr.
Verbietet man also Mining an dem einen Ort, wird an einem anderen Ort mehr gemined. Die Menge an Strom, die ins Mining fließt, bleibt identisch, egal wie viel man verbietet. Es ändert sich nur der Standort. Und der hat im schlechteren Fall ein viel CO2-lastigeres Stromprofil.
Diese Theorie ist in der Krypto-Community weithin akzeptiert. Das Mining-Verbot in China bestätigte sie empirisch: Die Miner zogen in Massen von China nach Kasachstan, woraufhin sich der CO2-Ausstoß massiv erhöhte, da man in China zu weiten Teilen mit Wasserkraft schürft, in Kasachstan dagegen mit Kohle. Das chinesische Mining-Verbot war eine Rolle rückwärts in der Energiewende.
Die Forscher aus London wollen nun den Effekt mit ihrem Paper konkretisieren. Sie fragen, welche ökologischen Folgen ein Mining-Verbot an den jeweiligen Standorten hätte. Umweltpolitiker, seid aufmerksam, wenn es euch wirklich ums Klima geht!
Wo Verbote dem Klima helfen – und wo sie schaden
Die Methode der Forscher ist konsistent und nachvollziehbar, bringt aber einige Unschärfen mit sich.
Zunächst müssen sie herausfinden, an welchen Standorten wie intensiv Bitcoins gemined werden. Dies gleichen sie dann mit dem gesamten Stromverbrauch von Bitcoin sowie dem CO2-Profil der jeweiligen Standorte ab. Um dann die Wirkung eines Verbots abzuschätzen, gehen sie davon aus, dass die Miner, die verboten werden, sich zu gleichen Teilen an allen anderen Standorten niederlassen.
Für alle involvierten Daten existieren Schätzwerte, die mal mehr, mal weniger präzise sind. Man sollte sie eher als Annäherungen denn als konkrete Werte verstehen. Sie führen aber dennoch zu einer Art Mittelwert, der eine einigermaßen wahrscheinliche Größenordnung greifbar macht.
Das Ergebnis ist eine Karte, die zeigt, welche ökologischen Folgen ein Bitcoin-Verbot an welchen Orten nach sich zieht:
Diese Geographie des Bitcoin-Verbots ist paradox: Ausgerechnet jene Standorte, an denen die Politik sensibel für Klimathemen ist und am ehesten zu einem Mining-Verbot neigt, würden damit den größten Schaden anrichten – während ein Mining-Verbot in den Ländern, denen sich die Regierungen nicht im geringsten ums Klima scheren, sehr wohl positive Effekte hätte. Es gibt also psychologische Anreize, hier wie da das Falsche zu tun.
Den größten Schaden hätte ein Verbot in Kanada, da dort intensiv mit erneuerbaren Energien, vor allem Wasserkraft und Atomkraft, nach Bitcoins gemined wird. Würden die kanadischen Miner ein neues Zuhause suchen müssen, würde dies die CO2-Emissionen durch Bitcoin um geschätzt 5,6 Prozent oder 2,5 Millionen Tonnen im Jahr erhöhen. Das wäre etwa ein Viertel von Thüringen.
Ein Verbot in Paraguay würde 1,9 Millionen zusätzliche Tonnen CO2, in El Salvador 650.000 Tonnen und in Norwegen 576.000 Tonnen verursachen. Ein Komplettverbot in der EU käme auf nur 523.000 Tonnen.
Andersherum gibt es auch Länder, in denen ein Verbot ökologisch durchaus nützlich wäre. Etwa Kasachstan, wo man rund 3,4 Millionen Tonnen sparen würde, was etwa den Emissionen von Stuttgart entspricht.
Komplexer ist die Lage in den USA, da die Energieprofile der Staaten stark voneinander abweichen. In Kentucky, Georgia oder Nebraska würden Verbote CO2 einsparen, während sie in New York und Texas den globalen CO2-Ausstoß erhöhen würden. Insgesamt sind die Vereinigten Staaten relativ neutral, ein Verbot würde, trotz der gewaltigen Menge an Minern, nur 287.000 Tonnen zusätzliche Emissionen verursachen, was weniger als Krefeld wäre.
Werdet mehr wie Kanada!
Fassen wir zusammen: Ein Mining-Verbot in der EU oder Norwegen führt, aus welchen hehren Gründen es auch immer erlassen wird, zu einer steigenden Menge CO2 in der Atmosphäre. Es mag als Klimaschutz gedacht sein, ist aber effektiv ein Klimaschaden. Diese Erkenntnis, die jeder, der Bitcoin versteht, intuitiv begreift, ist nun also wissenschaftlich erhärtet. Umweltpolitiker können sich nicht länger leisten, dies zu leugnen.
Als einzige sinnvolle, klimafreundliche Mining-Politik bleibt nun, dafür zu sorgen, dass der eigene Standort in der Karte immer roter wird. Man sollte mehr wie Kanada werden, wenn man möchte, dass Bitcoin-Mining dem Klima weniger schadet – wenn man denn Politik nach ihrem Ergebnis anstatt ihrem Motiv beurteilt.