Die CO2-Emissionen des Bitcoin-Minings sind weiterhin zu hoch. Eine Gruppe von Forschern stellt marktwirtschaftliche Methoden vor, um die Miner zu motivieren, auf grüne Energien zu setzen. Sind darunter Ansätze, die in der Praxis funktionieren?
Das Bitcoin-Mining steht in der Kritik, zu viele Treibhausgase auszustoßen und damit den Klimawandel mit anzutreiben. Da die Diskussionen zum Klimawandel immer hitziger werden, je weniger seine Folgen zu leugnen sind, könnte sich diese Kritik an den Bitcoin-Minern und -Investoren in naher Zukunft verschärfen.
Zum Teil geht die Kritik am Ziel vorbei. Denn Mining speist sich bereits heute zu einem großen Teil aus regenerativen Energien. Es hat sogar das Potenzial, „karbon-negativ“ zu sein, also Emissionen einzusparen anstatt auszustoßen, etwa indem es Methangas als Energiequelle verbrannt oder den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützt.
Die Emissionen des Bitcoin-Minings nach dem Cambridge Bitcoin Energy Index. Die graue Linie ist das Maximum, die orangene der geschätzte Wert.
In der Theorie weiß man das längst. Doch die Praxis hinkt leider hinterher. Der Stromverbrauch von Bitcoin steigt auch 2023 weiter, trotz des Bärenmarktes, und mit ihm auch die ausgestoßenen Treibhausgase. Auch die Dekarbonisierung des Minings geschieht viel langsamer, als erwartet. Laut den Daten des Cambridge Bitcoin Energy Index (CBEI) sowie des Digiconomisten rekarbonisiert sich das Mining sogar seit 2019. Der Anteil fossiler Stromquellen sinkt nicht, sondern steigt.
Stromquellen des Minings nach dem CBEI.
Man kann dem die Daten von Daniel Batton entgegensetzen. Dieser ist industrienäher, was ihm einerseits tiefere Einblicke gewährt, ihn aber andererseits auch befangener macht als unabhängige Forscher. Doch selbst aus seiner Perspektive verläuft die Dekarbonisierung des Minings zu langsam, um mit dem steigenden Stromverbrauch Schritt zu halten.
Das ist der ungünstige Status quo. Aber wie lässt er sich ändern? Wie lässt sich ein Trend zu grünem Mining, der zwar mutmaßlich existiert, aber zu schwach ist, stärken? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Papier „Don’t Trust, Verify: Towards a Framework for the Greening of Bitcoin“, eine Studie von britisch-argentinisch-deutschen Wissenschaftlern.
Nachhaltige Bitcoins im Portfolio
Der chinesische Weg, Mining zu verbieten, ist gescheitert. Die Miner sind von den chinesischen Staudämmen zu Kohlekraftwerken in Kasaschstan, Russland und den USA gezogen. China hat sein gutes Gewissen mit steigenden Emissionen erkauft.
Der Ansatz von Greenpeace, mit der „Change The Code“-Kampagne Bitcoin zu Proof of Stake zu bringen, scheitert ebenfalls. Das kann und wird auf absehbare Zeit nicht geschehen, jeder Tweet hierfür verschwendet Energie und Zeit.
Auch Selbstverpflichtungen der Branche, wie die Bitcoin Clean Energy Initiative machen zwar Schlagzeilen, bewirken bisher aber kaum etwas. Die Miner gehen dahin, wo der Strom am günstigsten ist, und das ist er offenbar viel zu häufig dort, wo es fossilen Strom im Überfluss gibt.
Was also tun? Die Forscher inspizieren Optionen, ökonomische Anreize zu setzen: „Die Miner und Stromversorger könnten nicht nur ihre Profite steigern, indem sie überschüssige Energie nutzen, sondern auch, indem sie grüne Token an Anleger verkaufen, die ihr Portfolio grüner machen wollen.“
Die Idee ist an sich verlockend: Man spricht nicht die Miner an, sondern die Investoren, welche auf irgendeine Weise dazu gebracht werden, eine Art Abgabe zu bezahlen, die an grüne Miner weitergegeben wird. So bekommen diese einen Vorteil gegenüber der braunen Konkurrenz. Die Banken und Vermögensverwalter, die für ihre Kunden immer häufiger Bitcoins verwahren, können ein solches Modell im Sinne des nachhaltigen Investments umsetzen.
Theoretisch klingt das plausibel. In der Praxis sind aber noch einige Nüsse zu knacken.
Wie legt man die Emissionen von Bitcoin um?
Zunächst das kleinere Problem: Wie misst man die Emissionen von Bitcoin? In der Regel nimmt man die Emissionen des Netzes, von dem die Miner Strom entnehmen, und legt dieses dann durchschnittlich auf alle Verbraucher um. Es gibt hier zwar einige methodologische Komplikationen, weshalb die Daten von Cambridge, dem Digiconomisten und Daniel Batton voneinander abweichen. Aber insgesamt ist die Datenbasis hier brauchbar. Schwieriger wird die Frage, wie man die Emissionen auf Akteure und Prozesse umlegt.
Man könnte bei der Herkunft ansetzen: Jeder Coin wird nach den Emissionen bewertet, die bei seiner Erzeugung entstanden. Coins, die von fossilen Minern erzeugt werden, sind braun, Coins von Minern, die erneuerbare Energien verbrauchen, grün. Ältere Coins wären viel sauber als neuere. Abgesehen von der monströsen Komplexität solcher Berechnungen hat die Methode den Haken, dass sie die Fungibilität von Bitcoin ruiniert. Sollen in Zukunft Coins je nach Alter und Herkunft zu verschiedenen Preisen gehandelt werden?
Ähnlich problematisch ist die Umlegung auf Transaktionen. Dazu misst man „die Emissionen einer gewissen Zeitspanne und teilt sie durch die Anzahl an Transaktionen in dieser Zeit auf“. So kann man den Energieverbrauch je Transaktion feststellen, laut Statista derzeit schockierende 703 Kilowattstunden, also fast ein Viertel des Jahresverbrauchs eines durchschnittlichen Haushalts. Die Methode ist jedoch aus vielen Gründen so irreführend, dass sie einzig dafür nützlich ist, Polemik gegen Bitcoin zu verbreiten.
Die einzige Methode, die wirklich brauchbar ist, ist die dritte: Man nimmt an, dass das Halten von Bitcoins einen Anreiz setzt, Bitcoins zu minen, und legt dann die Emissionen, die die Miner über einen gewissen Zeitraum ausstoßen, auf die Bitcoins um, die gehalten werden. Wenn man etwa einen Bitcoin ein Jahr hält, verursacht man 1/21.000.000 der Emissionen, die die Miner in einem Jahr erzeugen. Bei Emissionen von 54 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2022 (CBEI), würde dies für einen Bitcoin etwas mehr als zwei Tonnen entsprechen. Das wäre etwa ein Fünftel von dem, was ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland verbraucht. Dieselbe Methode empfiehlt übrigens auch Net Positive Money, die hierfür sogar einen Kalkulator anbieten.
Damit hätten wir eine grobe Messlatte, wie viel Emissionen man verursacht, wenn man Bitcoins hält, und wie hoch die CO2-Belastung durch beispielsweise die Bitcoin-Schatzkammer von Michael Saylors MicroStrategy ausfällt. Aber wie geht es nun weiter? Wie bekommt man eine solche Umlage zu den Minern? Net Positive Money empfiehlt freiwillige Spenden. Aber das dürfte vermutlich nicht reichen.
Optionen, um die Umlagen zu den Minern und Anlegern zu bringen
Ein Vorschlag sind „Colored Coins“, also Token auf der Bitcoin-Blockchain, so wie die vor kurzem eingeführten BRC-Token durch Ordinals. Man könnte durch solche Token dokumentieren, welche Art von Energie genutzt wurde, um einen Block zu minen. So kann man feststellen, wie „grün“ oder „braun“ Transaktionen und neue Bitcoins sind. Dabei aber bräuchte man eine Art TüV, der die Token herausgibt, und man würde die Fungibilität von Bitcoin demolieren, wenn man die Token an die geschürften Bitcoins bindet.
Konsequenter wäre es, dafür zu sorgen, dass Bitcoin-Holder in Proportion zu ihrer Anzahl Bitcoin in grünes Mining investieren. Wer ein Prozent aller Bitcoins hält, sollte in ein Prozent grüne Hashrate investieren. Bei einem Bitcoin (1/21.000.000) würde dies einem knappen Megawatt an Strom entsprechen, was etwa ein Fünftel bis Drittel der Leistung eines Windrades wäre. MicroStrategy müsste mit seinen 100.000 Bitcoins ziemlich große Windparks finanzieren. Dies könnte über eine Art Abgabe funktionieren, die Verwahrer an grüne Miner umleiten.
Auch traditionelle Instrumente wie Klimakompensationen oder CO2-Zertifikate wären eine Option. Wenn Miner helfen, den Ausbau Erneuerbarer Energien voranzutreiben, oder durch das Verbrennen von Methan negative Emissionen erreichen, erhalten sie Zertifikate, die fossile Miner von ihnen kaufen müssen. Allerdings stehen solche Methoden unter dem Vorwurf des Greenwashings, und es ist fraglich, ob sie global durchsetzbar sind. Wenn die fossilen Miner in den USA Klimakompensationen kaufen müssen – haben sie dann nicht schlicht einen Wettbewerbsnachteil gegen die fossilen Miner in Russland?
Es gibt zwei Arten von Zertifikaten, die versuchen, den etablierten CO2-Handel an Bitcoin anzupassen: Die “Sustainable Bitcoin Certificates” und die “Clean Bitcoin Certificates“. Während das erste Zertifikat etwas undurchschaubar wirkt, sind die Clean Bitcoin Certificates Onchain-Token auf Basis von Ordinals, von denen je eines entsteht, wenn ein Bitcoin nachhaltig erzeugt wurde. Ein Portfolio-Manager kann dann je Bitcoin, in den er investiert, ein solches Token hinzufügen. Die Bitcoins selbst bleiben fungibel, doch grüne Miner machen mehr Profite. Problematisch dürfte aber erneut sein, wie die Prüfung vonstatten geht, vor allem grenzübergreifend, und wie man die Token bepreist.
Zweifelhafte Aussichten
Die Forscher stellen die Ansätze mit ihren Vor- und Nachteilen dar, enthalten sich aber einer abschließenden Bewertung. Es wäre ohne Zweifel hilfreich, wenn es ein System geben würde, das grünes Mining profitabler macht. Manche der hier vorgestellten Ansätze könnten funktionieren, zumindest in eingeschränktem Umfang. Der geeignetste Hebel wären die Holder sowie die Verwahrer, wie Börsen, Broker und Vermögensverwalter, welche eine Art von Abgabe erheben und umlegen können. Doch inwieweit sich dies tatsächlich durchsetzen kann, steht noch in den Sternen.