Derzeit erschüttert der Skandal um die „Voice of Europe“ die europäische Öffentlichkeit. Selten hat sich die russische Einflussnahme europäischer Politik klarer gezeigt. Mit involviert sind Politiker der AfD – und ein Verdacht: Erhielten sie Kryptowährungen aus Russland, um im Europaparlament Stimmung für Moskau zu schüren?
Es ist kaum zu übersehen, dass die sogenannte „Alternative für Deutschland“ jenen Patriotismus, mit dem sie sich so leidenschaftlich schmückt, vor allem dadurch auslebt, indem sie das real existierende Deutschland aus tiefster Seele verachtet.
Die Liebe der AfD gehört offenbar eher dem real existierenden Russland, was für selbsternannte Patrioten zwar seltsam, aber nicht illegal ist. Sollte sich jedoch ein Verdacht bestätigen, den tschechische Ermittler derzeit erheben, würde dies einige führende AfD-Politiker in die Nähe des Hochverrats stellen.
Und Kryptowährungen, vielleicht auch Bitcoin – sind ein Teil dieser Geschichte. Wir befinden uns wieder einmal im Auge des Orkans.
Geld für prorussische Narrative im europäischen Parlament
Aber von vorne. Die tschechische Regierung hat ein russisches Propagandanetzwerk rund um die Webseite „Voice of Europe“ entlarvt. Tschechien wirft den leitenden Hintermännern der Seite – dem ex-ukrainischen, pro-russischen Politiker Wiktor Medwedtschuk sowie seinem Vertrauten Artem Martschewskyj – vor, „die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu unterwandern“, und setzte sie deswegen auf eine Sanktionsliste.
Neben den üblichen Whataboutismen („Aber die Nato …“) sowie der typischen Opfer-Täter-Umkehr („Das Regime in Kiew“) flutete die Voice of Europe den Kontinent offenbar auch mit Propaganda, die die westlichen Gesellschaften destabilisieren soll. Darüber hinaus war die Seite laut dem tschechischen Geheimdienst ein Zentrum der gezielten russischen Beeinflussung europäischer Politiker: Sie habe Politiker aus diversen europäischen Ländern dafür bezahlt, sich für prorussische Narrative im europäischen Parlament einzusetzen.
Tschechische Medien sprechen von Politikern in Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, der Niederland und Ungarn. Belgiens Premierminister Alexander De Croo bestätigt die Vorwürfe: „Es hat sich gezeigt, dass Russland Mitglieder des Europäischen Parlaments dafür bezahlt, russische Propaganda zu verbreiten.“
Maximilian Krah und Patrick Bystron im Verdacht, Geld aus Moskau empfangen zu haben
In Deutschland sind es nun wenig überraschend die Patrioten der sogenannten AfD, welche mit der Voice of Europe kooperieren. Die tschechischen Geheimdienste nennen konkret die beiden Europapolitiker Maximilian Krah und Patrick Bystron. Beide haben dem Portal Interviews gegeben; Krah stritt gegenüber dem tschechischen Magazin Denik N entschieden ab, Geld für Interviews erhalten zu haben, Bystron nannte den Vorwurf eine Verleumdung und kündigte rechtliche Schritte dagegen an.
Der Spiegel berichtet zudem, dass mehrere hunderttausend Euro an russlandfreundliche Politiker in Prag entweder bar übergeben oder durch Kryptowährungen ausgezahlt worden sind. Der Artikel deutet indirekt darauf hin, dass auch die beiden AfD-Politiker Patrick Bystron und Maximilian Krah sich zur bezahlten Stimme Moskaus im Europarlament gemacht haben. Einen Beweis dafür gibt es aber derzeit offenbar noch nicht.
Allerdings weiß man von Krah, dass er gute Beziehungen zu Medwedtschuk hatte und diesen etwa besuchte, als er 2021 im Hausarrest in der Ukraine war. Zu Bystron behauptet das Magazin Denik N, im Besitz von belastbaren Audio-Aufnahmen zu sein.
Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies nicht nur eine Parteispende aus Moskau. Es wäre vielmehr der Missbrauch eines politischen Amtes, um gegen eine Geldzahlung konkrete, dem eigentlichen Amt entgegengesetzte Dienstleistungen für ein Land zu erbringen, dessen Repräsentanten immer wieder erklären, mit dem Westen im Krieg zu sein. Es wäre bestenfalls Korruption und schlimmstenfalls Hochverrat.
Daher fordert etwa Terry Reintke, die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, ernsthafte rechtliche Konsequenzen.
Kryptowährungen als Faktor der Geopolitik
Noch ist, wie gesagt, weniges konkret erwiesen, zumindest gelangten bisher wenig Beweise an die Öffentlichkeit. Aber klar dürfte unabhängig davon sein: Bitcoin und andere Kryptowährungen haben ihren Weg in die Manege der Geheimdienste und Geheimoperationen gefunden, der Bestechung auf höchster politischer Ebene und der internationalen Einflussnahme. Sie sind ein geopolitischer Faktor, der kaum mehr wegzudenken ist.