Der Fall um Tornado Cash ist noch nicht vorüber. US-Behörden erheben neue Anklagen und lösen damit hitzige Diskussionen in der Krypto-Szene aus. Warum die neuen Vorwürfe so viel Aufmerksamkeit erregen.
Neue Klagen gegen Tornado Cash: Darum geht es
Seit Sommer 2022 befinden sich die Entwickler von Tornado Cash zunehmend in Konflikten mit Behörden. Besonders US-Behörden haben es auf die Programmierer abgesehen. Wie die US-Staatsanwaltschaft jüngst verkündete, schliessen sich neue Klagen der Auseinandersetzung an.
Verschiedene staatliche US-Organisationen “gaben die Entsiegelung einer Anklageschrift bekannt, in der Roman Storm und Roman Semenov der Verschwörung zur Geldwäsche, der Verschwörung zur Begehung von Sanktionsverstössen und der Verschwörung zum Betrieb eines nicht lizenzierten Geldüberweisungsgeschäfts beschuldigt werden.”
Laut den Ermittlungen konnten durch Tornado Cash rund eine Milliarde US-Dollar gewaschen werden. Mehrere hundert Millionen US-Dollar hätten sich im Besitz des berüchtigten nordkoreanischen Hackerkollektivs Lazarus befunden.
Roman Storm wurde im Zusammenhang mit der Klage am Mittwoch im US-Bundesstaat Washington festgenommen, ist nach der Zahlung einer Kaution aber wieder auf freiem Fuss. Der Aufenthaltsstandort des ebenfalls angeklagten Semenov sei unbekannt.
“Roman Storm und Roman Semenov sollen Tornado Cash betrieben und wissentlich diese Geldwäsche ermöglicht haben. Sie wussten, dass sie Hackern und Betrügern dabei halfen, die Früchte ihrer Verbrechen zu verbergen”, beschreibt Staatsanwalt Damian Williams den Vorfall.
In der Vergangenheit hatte Tornado Cash für viel Aufmerksamkeit gesorgt, nachdem Alex Pertsev 2022 in den Niederlanden auf Anfrage der USA festgenommen wurde. Pertsev ist nach Monaten der Untersuchungshaft im April freigekommen.
Auch ihm wurde Geldwäscherei vorgeworfen. Kritiker vermuteten, seine frühere indirekte Tätigkeit für den russischen Geheimdienst FSB könnte hinter der Festnahme stecken. Pertsev gehört ebenfalls zum Kreis der Hauptentwickler.
Warum die Klage so viel Aufmerksamkeit erregt
In der Krypto-Szene erregt die erneute Klage gegen Tornado Cash viel Aufmerksamkeit. Auf Twitter kommt es zu wilden Diskussionen – doch warum überhaupt? Tornado Cash beruht auf Smart Contracts der Ethereum-Blockchain und fungiert daher neutral und erlaubnisfrei.
Die Idee, die Entwickler eines solchen offenen Protokolls für spezifische Nutzungsfälle zu bestrafen, stösst vielen Krypto-Enthusiasten übel auf. Würden Entwickler Überprüfungen durchführen, wäre die gesamte Neutralität der Blockchains gefährdet.
“Das ist ein Angriff auf die Privatsphäre. Man will Open-Source-Entwickler in den Gehorsam zwingen. Die Regierung will nicht, dass man Dinge tut, die sie nicht überwachen kann”, schrieb Krypto-Experte Chris Blec auf Twitter.
Entwickler Riccardo “Fluffypony” Spagni sieht die Dinge etwas anders. Spagni ist als langjähriger Hauptentwickler des Privacy Coins Monero bekannt. Auf Twitter erklärte er, die Kritik vieler Krypto-Enthusiasten sei zu plakativ und zu unehrlich.
Auf Twitter wird im Zusammenhang mit der Anklage gegen Tornado Cash eine Menge Angst verbreitet, was zu Schlussfolgerungen wie «warum verhaften wir Bill Gates nicht dafür, dass er Software geschrieben hat, die Kriminellen hilft» bis hin zu «das ist das Ende der Datenschutzsoftware» führt. Ich weise diese Schlussfolgerungen als unsinnig zurück.
Dass es überhaupt zu den Klagen gekommen sei, hänge mit der Tornado Cash DAO zusammen. Diese angeblich dezentrale Organisation ist für die Verwaltung des Mixers verantwortlich und erhält Einnahmen durch erwirtschaftete Gebühren des Dienstes.
Stimmanteile erhält man durch den Erwerb des Tornado Cash (TORN) Tokens, der sich grösstenteils im Besitz der Hauptentwickler befindet. Mit Dezentralität hat der Mixer daher nur wenig zu tun. Es geht mehr um den Anschein der Dezentralität.
Spagni sieht die Problematik in der Erschaffung dieser Organisation. “Die Entwickler verdienten an den Gebühren, während sie gleichzeitig davon lasen, dass Tornado Cash zur Geldwäsche von gestohlenem Geld aus Hacks verwendet wurde. Schon der Start der DAO ist eine Herausforderung, denn das bedeutet, dass sie ein Unternehmen geschaffen und gestartet haben, das von kriminellen Aktivitäten profitiert hat.”
Was können Entwickler vom Fall Tornado Cash lernen?
Spagni glaubt, Entwickler könnten einiges vom Fall Tornado Cash lernen. Er und weitere Programmierer – etwa Roger Dingledine, der für das Tor Project arbeitet, seien nie ins Visier der Behörden gekommen.
“Hätten sie keine DAO geschaffen und stattdessen einfach die Smart Contracts eingesetzt und sich aus dem Staub gemacht, wäre es ähnlich wie bei Monero und anderen Projekten zum Schutz der finanziellen Privatsphäre gewesen», schreibt Spagni.
Entwickler, die an gefährlichen oder zweifelhaften Projekten arbeiten, sollten darüber hinaus ihre eigene Identität verborgen halten. Weitere bekannte Entwickler lehnen Spagnis Darstellung als unrichtig ab.
Coincenter stuft die neue Klage gegen die Entwickler als widersprüchlich ein. Die US-Aufsichtsbehörde FinCEN unterscheidet bewusst zwischen Softwarenabietern und Geldüberweisungsdiensten.
Here are our initial thoughts on today's Tornado Cash indictment. The factual allegations of unlicensed money transmission are in conflict with FinCEN's longstanding guidance that an "anonymizing software provider is not a money transmitter."https://t.co/9QBiV9sjnd
— Peter Van Valkenburgh (@valkenburgh) August 23, 2023
Ethereum-Mixer bleibt aktiv
Trotz Sanktionen und offizieller Verbote durch die USA bleibt der Ethereum-Mixer weiterhin aktiv. Über die Domain Tornado.Cash lässt sich der Dienst nicht mehr erreichen. Über IPFS kann man Tornado Cash und die neuere Version Tornado Cash Nova immer noch aufrufen und verwenden.