DeFi, das war mal was. Das Stand für die Disruption des Finanzsektors, für die Neuerfindung des Geldes, für Zahlungen ohne Mittelsmänner, von digitalem Eigentum ohne Landlords. Doch heute, nachdem FTX-Terra-Jahr 2022, muss man sagen: Von den großen Visionen der Krypto-Industrie ist wenig übrig geblieben. Die meisten, die sich mit der Sache näher befassen, meinen: „Echtes DeFi gibt nur bei Bitcoin„. Und für den Rest wurde ein anderes Kürzel erfunden: CeFi, Centralized Finance.
CeFi, das bezeichnet Krypto-Unternehmen ganz allgemein. Unternehmen, mit denen Nutzer:innen Verträge (=Nutzungsbedingungen) eingehen, um dann Krypto-Services zu verwenden – Trading, Staking, Lending, NFT-Handel und so weiter. Um sich von der alten zentralisierten Finanzindustrie noch irgendwie abgrenzen zu können, hat die auch einen Namen bekommen: TradFi, also traditionelle Finanz, die noch nicht auf die Blockchain gekommen ist. CeFi florierte in Gestalt von Unternehmen wie Binance, Coinbase, Kraken, Yuga Labs, Ripple, Crypto.com und Konsorten lange Zeit.
Den Höhepunkt des Interesses fand DeFi im Juli 2021. Das war die Phase, nachdem Bitcoin erstmals mehr als 60.000 Dollar schaffte, Coinbase an die Börse ging, eine Welle der Investments der Reihe nach neue Krypto-Einhörner schuf (Bitpanda holte sich die 3,5 Mrd. Euro-Bewertung) und der NFT-Hype Fahrt aufnahm. Die Geldschwemme der Corona-Krise schob ordentlich an, es war Aufbruchstimmung. Doch es sollte dann doch ganz anders kommen.
Das Interesse seitens Google-Nutzer:innen an DeFi ist wieder geschwunden. Parallel dazu ist das Interesse der Behörden an den CeFi-Unternehmen stark gestiegen. Erstes prominentes Opfer war Ripple. Die Krypto-Firma rund um den umstrittenen XRP-Token kämpft seit mehr als drei Jahren einen Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsicht SEC. Es geht um die Frage: Ist XRP ein Utility-Token, um Leistungen auf der Blockchain zu bezahlen? Oder ist XRP nicht doch eine Art digitales Wertpapier, das einen Anteil am Unternehmen Ripple darstellt? Eine Entscheidung ist in der Frage noch nicht gefallen, richtungsweisend wäre sie jedenfalls.
Mittlerweile müssen sich nicht nur Besitzer:innen von XRP die Frage stellen, was sie da eigentlich haben, wer die Token herausgibt, und ob sie nicht eigentlich wie etwa auch Aktien von Firmen von den Finanzbehörden reguliert werden müssten. Einzig Bitcoin, das nachweislich auf einem sehr dezentralen Netzwerk beruht, scheint aus dem Schneider; BTC gilt vielen als digitaler Rohstoff, den man handeln kann, den aber am Ende keiner kontrolliert. Die meisten anderen Kryptowährungen müssen sich aber mittlerweile die Frage gefallen lassen: Sind sie nicht eigentlich ein Wertpapier?
In den USA, dem wichtigsten Krypto-Markt der Welt, wir die Frage, ob ein Asset eine „Security“ (also ein Wertpapier) ist, mittels Howey-Test geklärt. Das sind die 4 Kernfragen des Howey-Tests:
- An investment of money: Ist es ein Cash-Investment?
- in a common enterprise: Wird in ein Unternehmen investiert?
- with expectations of a profit: Gibt es eine Gewinnerwartung?
- to be derived from the efforts of others: Sind Dritte für das Erwirtschaften des Gewinns verantwortlich?
Der Test geht auf das Jahr 1946 zurück, als in einem Prozess der SEC gegen das Unternehmen W. J. Howey Co ermittelt werden sollte, ob das Angebot eines Grundstückskauf- und Dienstleistungsvertrags nicht eigentlich ein Investment-Angebot darstelle und somit den Securities Act von 1933 berühre. Der Fall mündete in den 4 Fragen des berühmten Howey-Tests. Weil das alles fast 90 Jahre her ist, gilt der Howey-Test aber vielen als nicht zeitgemäß, aber er gilt. Egal ob XRP, BUSD, ETH oder unbekanntere Token wie AMP (AMP), Rally (RLY), DerivaDEX (DDX), XYO (XYO), Rari Governance Token (RGT), LCX (LCX), Powerledger (POWR), DFX Finance (DFX) und Kromatika (KROM) – allesamt werden früher oder später dem Howey-Test unterzogen.
Dabei ist die SEC als mächtige US-Behörde garnicht hinter Decentralized Finance her, sondern hinter den zentralisierten Playern. Das wird klar, wenn man SEC-Chef Gary Gensler in YouTube-Videos sieht, in denen er „Staking (nicht Steak!) as a Service“ beschreibt (siehe unten). Und da wettert er eigentlich gar nicht gegen DeFi an sich, sondern gegen fehlgeleitete CeFi-Player. Gensler gilt als durchaus Krypto-affin – aber CeFi schmeckt ihm gar nicht, wenn seine Behörde nicht überwachen kann.
CeFi soll nach dem Wertpapiergesetzen reguliert werden
„Bei Investitionen in Kryptowährungen oder dezentralisierte Finanzen können Unternehmen oder Plattformen Renditen für Investitionen anbieten, wie z. B. Lending, APY oder Staking. Die Anleger sollten jedoch durch die Bundeswertpapiergesetze geschützt werden, was bedeutet, dass sie wichtige Informationen erhalten sollten. So sollten die Anleger beispielsweise darüber informiert werden, was das Unternehmen mit ihren Token macht, ob sie eingesetzt, ausgeliehen oder gehandelt werden. Außerdem sollten die Anleger wissen, ob die Belohnungen, die sie erhalten, fair sind und ob die zugrunde liegenden Kryptowährungsprotokolle einen Wert für ihre Investition schaffen“, so Gensler. „Es muss sichergestellt werden, dass neue Token den Wert der bestehenden Token nicht verwässern. Durch die Bereitstellung klarer und transparenter Informationen können Anleger fundierte Entscheidungen treffen und sind durch die Wertpapiergesetze besser geschützt.“
Damit ist klar, und Gensler hat es bereits verdeutlicht: Die SEC wird weiter und schärfer gegen Anbieter solcher Krypto-Services vorgehen. Coinbase-CEO Brian Armstrong hat bereits angekündigt, dass er notfalls das Staking-Angebot seines Unternehmens vor Gericht verteidigen würde. „Stakes sind weder nach dem US-Wertpapiergesetz noch nach dem Howey-Test ein Wertpapier“, heißt es aus seinem Unternehmen. „Der Versuch, ein Verfahren wie das Staking dem Wertpapierrecht zu unterwerfen, hilft den Verbrauchern überhaupt nicht und führt stattdessen zu unnötig aggressiven Vorschriften, die US-Verbrauchern den Zugang zu grundlegenden Krypto-Diensten verwehren und die Nutzer zu unregulierten Offshore-Plattformen drängen werden.“ Geht es nach Coinbase, dann seien Stakes weder Geld-Investments (man behält die Tokens), noch würde man in ein Unternehmen investieren (die Stakes liegen auf einer Blockchain).
Lending-Kollaps: Krypto-Firmen wollten wie Banken sein – und scheiterten kläglich daran
Immer mehr Krypto-Firmen ins Visier genommen
Die Frage ist, ob die SEC bzw. die Gerichte das ebenso sehen – nach einer Marktphase, in der Krypto-Lender wie BlockFi, Celsius Network, Voyager und Co. der Reihe nach Pleite gingen, weil sie Assets der Kund:innen an dubiose Firmen und Fonds (FTX, 3AC, Terra-Foundation) verborgten. Logisch auch, dass die SEC gegen Unternehmen vorgehen muss und kann – denn gegen dezentralisierte Blockchain-Protokolle kann sie gar nicht aktiv werden. Dementsprechend sind sich die Manager:innen bei Coinbase, Binance und Co bewusst, dass sie sich 2023 warm anziehen müssen.
Der Track Record der SEC spricht jedenfalls für sich. Hier eine Übersicht über vergangene und zu erwartende Auseinandersetzungen zwischen der US-Börsenaufsicht und Krypto-Firmen:
- Kik musste 5 Mio. Dollar Strafe wegen eines unerlaubten ICO für den KIN-Token bezahlen
- Telegram musste Investoren 1,2 Mrd. Dollar wegen eines unerlaubten ICO für den GRAM-Token und 18,5 Mio. Dollar Strafe zahlen (mehr dazu hier)
- Block.one: Macher der EOS-Blockchain musste 24 Mio. Dollar Strafe zahlen (mehr dazu hier)
- Ripple liefert sich seit Dezember 2020 einen Rechtstreit mit der SEC. Kernfrage: Ist XRP ein Wertpapier?
- BlockFi musste 100 Mio. Dollar Strafe wegen seines lending-Angebots zahlen (mehr dazu hier)
- Nexo musste 45 Mio. Dollar Strafe für sein Lending-Angebot zahlen
- Kraken musste sein Staking-Angebot bereits einstellen (mehr dazu hier) und 30 Mio. Dollar Strafe in einem Vergleich mit der SEC zahlen
- Binance muss künftig auf seinen Stablecoin BUSD verzichten
- Coinbase will/muss Staking-Angebote vor Gericht verteidigen
- Circle, Macher des Stablecoins USDC, wurde Marktgerüchten zufolge von der SEC ins Visier genommen; Börsengang wurde abgesagt
- Uniswap Labs wurde Marktgerüchten zufolge von der SEC aufs Korn genommen (mehr dazu hier)