Das Versprechen der Blockchain ist klar: Sie ist transparent, unveränderlich und vor allem – dezentral. Damit werben vor allem die vermeintlichen “alternativen Layer-1-Netzwerke”, von Avalanche bis hin zu Solana. Doch ist die tatsächliche Dezentralisierung schwer zu erkennen. Bisher verwendete man dafür häufig den Nakamoto-Koeffizient, der die Anzahl der Nodes bestimmt, die nötig sind, um ein Blockchain-Netzwerk zu stören.
Doch darüber hinaus spielen auch andere Faktoren eine Rolle, wie ein aktueller Bericht der Krypto-Analysten bei Messari zeigt. Dazu zählen demnach der geografische Standort einzelner Validatoren, sowie die verwendete Hardware- und Software-Infrastruktur. Diese geben Aufschluss darüber, wie dezentral die entsprechende Blockchain wirklich gebaut und wie angreifbar sie beispielsweise durch regulatorische Maßnahmen einzelner Länder oder Cyberangriffe ist.
“Operative Dezentralisierung”
Daraus lässt sich der Begriff der “operativen Dezentralisierung” ableiten. In ihr verankert sind Werte zu Staking-Konzentration, Verteilung der Validatoren, Wahl der Hosting-Infrastruktur sowie Anzahl der Software Clients. Betrachtet und verglichen werden in diesen Belangen Avalanche, Cardano, NEAR, Solana und der Blockchain-Neuling Aptos. Sie alle sind Proof-of-Stake-Netzwerke (PoS), die unter deren Entwickler und Community als mögliche Alternativen zu Ethereum gelten.
Die wichtigsten Glieder eines PoS-Netzwerkes stellen dessen Validatoren dar. Nicht nur die Anzahl dieser, sondern auch wie sie gehostet werden, sind für die Dezentralisierung entscheidend. Die meisten Blockchain-Validatoren sind jedoch auf zentralen Server-Diensten wie Amazon-Web-Services (AWS), Google Cloud oder dem deutschen Anbieter Hetzner beheimatet. Zu Hause hosten nur die wenigsten.
Sieger in dieser Kategorie: Cardano. Die Blockchain zählt mit rund 2.500 Nodes nicht nur die meisten Validatoren, sondern sieht sie auch am besten auf alle Hosting-Anbieter verteilt. Etwa 17,5 Prozent der Validatoren werden dabei sogar von zu Hause aus gehostet – Bestwert unter allen Chains. Im Gegensatz dazu sind 63 Prozent aller Avalanche-Nodes auf nur zwei Hosting-Anbieter verteilt, davon 43 Prozent bei AWS. Fällt die Infrastruktur des Internet-Giganten aus, was schon öfter vorkam, drohen fast die Hälfte der Avalanche-Nodes offline zu gehen. Aptos und NEAR verzeichnen derweil die geringste Anzahl an Validatoren.
Blockchain – ein weltweites Netzwerk?
Was nützt einem eine hohe Anzahl an Validatoren, wenn sie sich alle in einem Land befinden? Dass die Länder-Konzentration zum Problem werden kann, zeigt das Beispiel Bitcoins. Demnach befanden sich einst eine Mehrheit der Miner in China. Als jedoch die Regierung dort Krypto den Kampf ansagte, fiel die Hashrate des Netzwerks für kurze Zeit in sich zusammen und führte zu einem Exodus der Schürfer.
Je besser ein Netzwerk also auf mehrere Länder verteilt ist, desto besser der Schutz vor ähnlichen Maßnahmen. Jedoch zeigen sich alle analysierten Blockchains in diesen Belangen einseitig. Europa und Nordamerika dominieren hier bei allen Projekten, wobei Avalanche die größte Node-Verteilung in anderen Regionen verzeichnet. Das beliebteste Land für Validatoren ist laut Messari die USA, gefolgt von Deutschland. Cardano verteilt seine Validatoren immerhin auf 64 Länder. Bei NEAR sind es nur 22.
Für PoS-Netzwerke gilt es auch zu beachten, dass nicht nur die Node-Verteilung weltweit, sondern die Konzentration des Stakes in den Ländern entscheidend ist. So werden mehr als 50 Prozent der ADA-Coins in den USA und Deutschland gestakt – ein allgemeiner Trend. Nur Aptos widersetzt sich diesem. Aptos’ Validatoren staken demnach rund 16 Prozent der Coins in Südkorea, wodurch eine gleichmäßigere Verteilung gegeben ist.
Endergebnis
Wie Messari befindet, lassen alle untersuchten Layer-1-Netzwerke in puncto Dezentralisierung Luft nach oben. Demnach ist es für viele Blockchains am gängigsten, einen Validator auf einem AWS Server in den USA zu lancieren. Dadurch ist man anfällig für Ausfälle des Hosting-Anbieters sowie den regulatorischen Maßnahmen vor Ort.
Cardano und Solana stechen in der Hinsicht hervor, dass trotz der regionalen Konzentration, die gestakten Coins der beiden Blockchains auf die meisten Hosting-Anbieter verteilt sind. Sie sind folglich am wenigsten von einem einzigen Dienst, wie AWS, abhängig. Beide zählen außerdem eine hohe Anzahl von Validatoren.
Im Endergebnis erhält Solana den höchsten “operationalen Nakamoto-Koeffizienten” mit 1,9. Darauf folgen Cardano und Aptos mit 1,6 und Avalanche und NEAR mit 1,3. Als Faustregel gilt: je höher der Wert, desto besser die Dezentralisierung. Doch das Urteil Messaris ist damit klar: Weniger als zwei voneinander unabhängige Schwachstellen müssen versagen, um die jeweiligen Netzwerke zu stören. Folglich bleiben alle Blockchains in gewisser Weise anfällig, was sich in den vergangenen Nachrichten zu Ausfällen, Störungen und Bugs widerspiegelt. Wenngleich also bei einigen Fortschritte in der Dezentralisierung erzielt wurden – darauf ausruhen dürfen sie sich noch nicht.