Tom Lee glaubt an einen „Superzyklus“. Aus seiner Sicht entscheidet sich die nächste große Bewegungsphase nicht mehr am Halving-Kalender, sondern am US-Industrieindikator ISM und an der Frage, wie viel Liquidität die Notenbank in den Markt zurückschiebt. Dazu kommt, dass die Fed den Leitzins bereits zum dritten Mal in Folge gesenkt hat und der Coinbase Premium Index zum ersten Mal seit längerem wieder positiv schreibt. Die große Frage lautet also: Sind das tatsächlich die Vorboten eines neuen, makrogetriebenen Bitcoin-Superzyklus?
- Tom Lee sieht die Chance auf einen Bitcoin-„Superzyklus“, falls der US-Industrieindikator ISM nachhaltig in den Wachstumsbereich zurückkehrt
- Neue Fed-Zinssenkungen und das Ende von QT liefern Rückenwind, bleiben aber von Unsicherheit über die Konjunktur begleitet
- Der Coinbase Bitcoin Premium Index zeigt: US-Käufe ziehen nach einer längeren Schwächephase wieder an
Tom Lee: ISM als Zündfunke für den Bitcoin-Superzyklus?
Tom Lee, Co-Founder von Fundstrat, koppelt seine aktuelle bullische Bitcoin-These eng an die Entwicklung des US-Industrieindikators ISM (Institute for Supply Management). In einem Interview gegenüber CNBC, betont er, dass Kryptokurse in der Vergangenheit extrem sensibel auf Wendepunkte im ISM reagiert haben.
Konkret argumentiert Lee, dass sobald der ISM-Index wieder über 50 Punkte steigt – also in den Bereich, der klassisch als Expansionszone der Industrie interpretiert wird –, habe Bitcoin in der Vergangenheit „Superzyklus-Moves“ gezeigt im Vergleich zu anderen Anlageklassen. Er verweist auch darauf, dass sowohl Bitcoin als auch Ethereum in früheren Phasen eines drehenden ISM-Zyklus deutlich besser gelaufen seien als etwa Gold.
Gleichzeitig ordnet Lee Bitcoin klar als „Risk-On-Asset“ ein, das stark von Liquidität und vom Konjunkturzyklusabhängt. In seinen Ausführungen betont er, dass Bitcoin aktuell weniger wie „digitales Gold“ handle, sondern vor allem wie ein hochsensibles Makro-Asset, das unmittelbar auf Zins- und Liquiditätsbedingungen reagiere.
Damit dockt Lee direkt an die jüngsten Entscheidungen der Fed an: Die US-Notenbank hat diese Woche zum dritten Mal in Folge den Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt und das Zinsband nun auf 3,5 bis 3,75 Prozent zurückgeführt – der niedrigste Stand seit Ende 2022, Kryptoszene berichtete. Parallel dazu wurde seit 01. Dezember Quantitative Tightening offiziell beendet.
Aus Lees Sicht ist diese Kombination – fallende Zinsen, Auslaufen von QT, erwartete Ausweitung der Staatsanleihekäufe (QE-ähnliche Maßnahmen) – der Nährboden für den nächsten Krypto-Bullenlauf. Ob der Markt diese Steilvorlage annimmt, hängt aber zentral davon ab, ob der ISM die konjunkturelle Wende tatsächlich bestätigt.
Was der ISM-Index für Bitcoin bedeutet
Der ISM Manufacturing Index basiert auf monatlichen Umfragen unter US-Einkaufsmanagern und gilt als einer der wichtigeren Frühindikatoren für die US-Konjunktur. Werte über 50 signalisieren tendenziell Wachstum, Werte unter 50 deuten auf eine Schrumpfung der industriellen Aktivität hin.
Tom Lee verweist darauf, dass sich Abweichungen des Bitcoin-Kurses von seinem langfristigen gleitenden Durchschnitt (z.B. 200er EMA) historisch eng mit Bewegungen des ISM decken – steigt der ISM in den Expansionsbereich, neigt Bitcoin dazu, den Markt mit einem „Risk-On-Burst“ zu überperformen.
Für Anleger ist wichtig: Der ISM ist kein Krypto-Indikator, sondern ein klassischer Makro-Taktgeber. Lees These lautet im Kern: Wenn die Weltwirtschaft wieder anzieht, dürfte Bitcoin als liquides, global handelbares Risk-Asset überproportional reagieren.
Coinbase Premium Index: Datencheck zur US-Nachfrage
Die Frage, ob wir am Beginn eines neuen Superzyklus stehen oder nur das letzte Drittel eines Bullenmarkts erleben, lässt sich so einfach nicht beantworten. Aber ein spannender Datapunkt ist hier der Coinbase Bitcoin Premium Index.
Der Index misst die Differenz zwischen dem Bitcoin-Kurs auf der US-Börse Coinbase und dem globalen Durchschnittspreis. Positive Werte signalisieren tendenziell stärkere US-Nachfrage; negative Werte deuten auf überdurchschnittlichen Verkaufsdruck aus den USA hin.
Nach einer nahelos durchweg roten November ist der Index im Dezember erstmals wieder in den positiven Bereich gedreht. Aktuell gar neun Tage in Folge positiv – ein Hinweis darauf, dass US-Investoren wieder bereit sind, leicht höhere Kurse auf Coinbase zu zahlen als der Rest der Welt.
Fazit zum Superzyklus – was bleibt von Tom Lees These?
Am Ende läuft Tom Lees Argument auf eine relativ einfache Formel hinaus: Dreht der ISM zurück in den Expansionsmodus und bleibt die Fed bei einer vorsichtig lockeren Linie, hat Bitcoin statistisch gute Karten, wieder zum Hochrisiko-Asset der Wahl zu werden.
Auch der positive Coinbase Premium Index spricht für eine bullische Zukunft. Sicher ist damit trotzdem nichts. Der Markt ringt nach wie vor mit Rezessionssorgen und geopolitischen Risiken.
Ob Anleger den Superzyklus-Case spielen oder die aktuelle Erholung eher als Spätphase eines Bullenmarkts werten, bleibt am Ende eine Frage des eigenen Risikoprofils. Die Datenlage spricht jedenfalls dafür, die Bullenstory noch nicht abzuschreiben.
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