Als Bitcoin gestern zum ersten Mal die lang ersehnte Marke von 100.000 US-Dollar geknackt hat, stürzten sich erwartbarerweise auch die Leitmedien wieder auf das Thema. Dadurch hat dann wohl jeder das Erreichen dieses Bitcoin-Meilensteins mitbekommen – auch in Deutschland, obwohl der Bitcoin-Kurs in Euro gemessen noch nicht in der 6-Stelligkeit handelte.
Bei den vielen Beiträgen zu Bitcoin gab es neben den üblichen Warnungen vor einem Investment auch einige Fehlinformationen sowie Stimmungsmache gegen die Community. So wurde Bitcoin etwa mit Kinderarmut in Verbindung gebracht, behauptet, dass die anderen die Lamborghinis der Bitcoiner bezahlen würden und das Asset sogar als „größter Selbstbetrug seit der Finanzkrise“ bezeichnet.
Ein Raunen geht durch die Medien
Nachdem Bitcoin gestern in den frühen Morgenstunden deutscher Zeit die 100.000er-Marke durchgebrochen hatte, erschien quasi eins zu eins der gleiche Artikel in verschiedenen deutschen Medien – von NTV über ZDF bis hin zur Tagesschau. Das liegt daran, dass der Beitrag ursprünglich von der Deutschen Presseagentur (DPA) stammt.
Dieser Artikel, den entsprechend wohl die meisten Deutschen zu Bitcoin gelesen haben, behandelte das Thema jedoch verhältnismäßig fair. Zwar hieß es, dass Verbraucherschützer von einem Investment abraten und Kritiker Bitcoin als klimaschädlich ansehen. Dafür zitierten sie aber auch Blocktrainer-Gründer Roman Reher – auch wenn die Bezeichnung als „Krypto“-Influencer etwas irreführend ist, da es Reher ausschließlich um Bitcoin geht.
Krypto-Influencer wie Roman Reher, der auf YouTube den Bitcoin-Kanal „Blocktrainer“ betreibt, sagt immer wieder, dass es für einen Einstieg in Bitcoin nie zu spät sei. Der Bitcoin-Kurs kenne trotz großer Schwankungen langfristig nur eine Richtung, nämlich nach oben.
Aus dem Artikel
Andere zahlen für die Lamborghinis der Bitcoiner?
Ein gestern erschienener Bitcoin-Artikel bei ZEIT ONLINE näherte sich dem Thema jedoch auf eine ganz besondere Art und Weise.
In dem Beitrag „Jetzt noch Bitcoin kaufen? Ja, leider schon!“ von Jens Tönnesmann, Redakteur im Wirtschaftsressort von ZEIT ONLINE, hieß es plötzlich, dass diejenigen, die nicht investieren, die Lamborghinis der Bitcoiner zahlen würden.
Hinter der Bezahlschranke ist zu erfahren, wie er zu dieser Einschätzung kommt – und zwar referenziert er die bekannte Ausarbeitung der Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank (EZB) Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf. Und das, ohne die Thesen der Ökonomen, die im Bitcoin-Bärenmarkt 2022 noch prognostizierten, dass Bitcoin jetzt in der Irrelevanz verschwinden werde, zu hinterfragen.
Die Kryptowährung ist demnach nur ein Investmentvehikel, das Vermögen umverteilt. Anders gesagt: „Die neuen Lamborghini-, Rolex-, Villen- und Aktienportfolios der frühen Bitcoin-Investoren resultieren nicht aus einer Erhöhung des Produktionspotenzials der Wirtschaft“, schreiben die beiden, „sie werden vielmehr durch den abnehmenden Konsum und Wohlstand derjenigen finanziert, die zunächst keine Bitcoins halten.“
Aus dem Artikel
Aufbauend darauf konkludiert Tönnesmann, dass man also nicht einmal mit Bitcoin-Investments Geld verlieren müsse, um die Macht des Bitcoins negativ zu spüren. Dass der Autor ebenfalls ein Bitcoin-Kritiker ist, wird auch schon zu Beginn des Artikels deutlich, als er erklärt, dass der neue Preisrekord kein Grund zum Feiern sei und Bitcoin große Risiken und Ungerechtigkeiten berge.
Warum Bitcoin nicht so schlecht verteilt ist, wie der Autor vermutet, und warum die EZB-Mitarbeiter mit ihrer Grundprämisse, dass Bitcoin nicht zu einer besseren Welt beitragen würde, falschliegen, ist in unserem ausführlichen Artikel zum Paper von Jürgen Schaaf und Ulrich Bindseil nachzulesen.
Bitcoin und Kinderarmut?
Besonders makaber wurde es jedoch, als das öffentlich-rechtliche Medium funk in einem Instagram-Post den neuen Rekordstand von Bitcoin mit Kinderarmut in Verbindung brachte.
Sie nutzten diesen Anlass letztlich dafür, auf das Problem, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland in prekären Verhältnissen leben, aufmerksam zu machen. Jedoch könnte dadurch bei flüchtigen Lesern hängen bleiben, dass Rekordstände beim Bitcoin-Kurs oder beim deutschen Leitindex DAX der Auslöser dafür seien.
Wer viel Geld zum Investieren hat, kann jubeln – so geht's aber nicht allen.
Aus dem Post
Schade in diesem Zusammenhang ist zudem, dass die deutschen Medien praktisch nie auf die Argumente eingehen, weswegen Bitcoin als Geld die Welt zu einem besseren und gerechteren Ort machen könnte.
Unser heutiges ungedecktes Papiergeld, das in dieser Form seit dem Jahr 1971 existiert, scheint derweil dazu geführt zu haben, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht.
Seitdem US-Präsident Nixon die Konvertibilität des US-Dollars in Gold beendet hat und somit für quasi alle Industrienationen – auch Deutschland – den Goldstandard beendete, stieg die Vermögensungleichheit deutlich an.
Zudem verdienen seither immer weniger junge Erwachsene mehr als ihre Eltern und bleiben – wohl infolgedessen – vermehrt bei ihnen wohnen.
Der größte Selbstbetrug seit der Finanzkrise?
Bei FOCUS online erschien darüber hinaus ein hetzerischer Artikel, in dem der Autor Oliver Stock Fehlinformationen teilte, als gäbe es kein Morgen mehr. In dem Beitrag mit der Überschrift „Der größte Selbstbetrug seit der Finanzkrise hat einen Namen: Bitcoin“ rät Stock bereits zu Beginn ganz klar von einem Investment in Bitcoin ab.
Jetzt also noch einsteigen? Die kurze Antwort lautet: Finger weg.
Aus dem Artikel
„Kaufe niemals Finanzprodukte, die du nicht verstehst“, erklärt der Chefredakteur von Business Punk. Interessanterweise erschien auf dem Instagram-Kanal von Business Punk erst vor weniger als zwei Wochen ein Post zu Kryptowährungen. In diesem hieß es:
Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether bieten beeindruckende Renditen. Ob 1.000, 10.000 oder 100.000 Euro – wir zeigen dir, wie du gezielt investierst!
Aus dem Instagram-Post
In diesem Post gibt es dann von dem Medium des Herausgebers Oliver Stock Tipps für das Investment in Kryptowährungen, von denen man doch laut dem neusten Artikel des Chefredakteurs eigentlich die Finger lassen sollte.
Dieser Sachverhalt macht es umso interessanter, dass Oliver Stock Bitcoin in dem neuen Artikel so schlechtredet – mutmaßlich geht es dabei lediglich darum, Aufmerksamkeit zu generieren. Mit schwachsinnigen Aussagen wie der folgenden ist ihm das letztlich auch gelungen.
Zum Aufwachen hilft eine einfache Rechnung: Bitcoin und Co. existieren nur, solange sie in Euro und Co. aufgewogen werden.
Aus dem Artikel
Selbstverständlich existiert Bitcoin auch noch, wenn es Euro oder US-Dollar nicht mehr geben sollte. Es ist ein Netzwerk, das an sich nichts mit den Währungen der Außenwelt zu tun hat. Menschen könnten, wenn es keine Staatsgelder mehr geben sollte, natürlich mit Bitcoin den alltäglichen Handel vollziehen.
Aber auch, dass Bitcoin heute noch nicht so weit als Zahlungsmittel verbreitet ist, führt Stock als Argument gegen Satoshi Nakamotos Kreation an. Doch ein neu aufsteigendes Geld muss sich eben erst einmal als Wertspeicher etablieren, damit es Händler gerne akzeptieren wollen.
Eine weitere Fehlannahme des Autors ist, dass die begrenzte Menge von Bitcoin „in Wahrheit der schlimmste Makel“ sei. Stock scheint ein Befürworter der immer weiteren Aufblähung der Geldmenge zu sein, die der Haupttreiber der Inflation ist.
Da hilft es auch nicht, wenn Krypto-Fans die unveränderliche Menge von Bitcoin und Co. als Wert an sich preisen. Denn in Wahrheit ist gerade das eines der schlimmsten Makel. Wie soll Wachstum entstehen, wenn das Geld nicht mitwächst?
Aus dem Artikel
Laut dem Chefredakteur von Business Punk fördern begrenzte Währungen nur das „Hamstern“. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass das reale Wirtschaftswachstum in den USA in den Phasen des Goldstandards höher war als seit der Zeit des ungedeckten Papiergelds. Je niedriger die Inflation, desto stärker wuchs die Wirtschaft.
Bitcoin ist ein Intelligenztest
Es ist spannend zu beobachten, welche Meinungen die großen Medienhäuser über Bitcoin verbreiten. Die kleine hier gezeigte Auswahl dürfte aufzeigen, dass der öffentliche Diskurs immer noch von lauter Fehlinformationen geprägt ist.
In der Tagesschau kam zudem noch Stefan Wolff von der Finanzredaktion der ARD zu Wort, der behauptete, dass es Tagesverluste von bis zu 80 Prozent bei Bitcoin gegeben habe und Bitcoin keine seriöse Geldanlage sei.
Da gab es Tagesverlust von 30, 40 bis zu 80 Prozent und immer danach wurde dem Bitcoin auch virtuell das Totenglöckchen geläutet. Also starke Nerven braucht man schon und seriöse Geldanlage ist das auch nicht.
Stefan Wolf in der Tagesschau
Die Wahrheit ist jedoch, dass die größte Korrektur innerhalb eines Tages laut den Daten von Investing.com „nur“ circa 57 Prozent betrug – und zwar war das am 20. Februar 2014, also in der blutigen Anfangszeit.
Wenn der Erfolg von Bitcoin immer weiter voranschreiten sollte – wonach es aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage durchaus aussieht –, werden sich die Menschen daran erinnern, wer ihnen von einem Investment abgeraten oder dieses verunglimpft hat.
Es ist zu hoffen, dass sich immer mehr Menschen künftig selbst mit Bitcoin unvoreingenommen auseinandersetzen, anstatt den vermeintlichen in den Medien zitierten Experten zu vertrauen, die bezüglich Bitcoin schon seit Jahren falschliegen.
Davon, dass die großen Medien selbst auch künftig die positiven Eigenschaften von Bitcoin und die Chancen, die diese Evolution des Geldes bietet, herausstellen, ist vorerst leider nicht auszugehen.