Wenn man ein Token herausgibt, verlangt der Markt vor allem Beständigkeit. Eigentlich standen die von BitGo herausgegebenen tokenisierten Bitcoin (WBTC) dafür. Doch nun ändert BitGo das Modell – und erntet Empörung.
Die „Wrapped Bitcoin“ (WBTC) von BitGo sind aus der DeFi-Landschaft nicht mehr wegzudenken.
BitGo transformiert echte, harte Bitcoins in einer sicheren Wallet in ERC-Token auf Ethereum. Diese Token, WBTC, kursieren seit Ende 2018, mittlerweile in einer Anzahl von 153.000 WBTC, was gut acht Miliarden Euro entspricht.
Mit WBTC kann man Bitcoin nicht nur im Ökosystem der Dezentralen Finanzen (DeFi) tauschen, beleihen, verleihen, verzinsen. Man kann Bitcoin auch über diverse Rollups und Sidechains kostenlos und in Echtzeit transportieren. Abgesehen davon, dass man BitGo vertrauen muss, sind WBTC die perfekte „Layer-2“ (die Lightning niemals sein konnte) – und bereichern ein Ökosystem, das viel zu oft auf windigen, unsoliden Token steht.
Allerdings wird sich nun bei BitGo etwas ändern, und längst nicht jeder ist darüber erfreut. Vor einem Monat hat das Unternehmen aus San Francisco ein Blogpost veröffentlicht, vermutlich ohne zu ahnen, welchen Sturm es damit auslösen würde.
WBTC wird multi-jurisdiktional
Auf dem Blog kündete BitGo an, „WBTC in eine multi-jurisdiktionale Treuhand zu bewegen, um den globalen Expansionsplan zu beschleunigen.“
BitGo geht eine Partnerschaft mit BiT Global ein, ein Krypto-Verwahrer, der in Hong Kong registriert ist. Teil dieser Partnerschaft ist es, die Bitcoins, die den WBTC unterliegen, nicht länger nur in den USA, sondern auch in Hongkong und Singapur zu verwahren.
Klingt gut. Bis dieser Satz kommt: BiT Global ist „eine strategische Partnerschaft zwischen BitGo, Justin Sun und dem Tron-Ökosystem“. Tron sei die „führende Blockchain“, auf der der größte Teil der Tether-Transaktionen (USDT) läuft. Das klingt, auch im Wording, so, als habe Justin Sun nun auch BitGo gekauft.
Justin Sun, sollte man wissen, ist der Gründer der Tron-Blockchain. Er hat die Einnahmen aus der ICO klug investiert und ein sagenhaftes Vermögen aufgebaut. Nachdem er mit diesem aus China geflohen ist, kauft er sich mit Freude veschiedene Startups. Etwa die New Yorker Börse Poloniex, mutmaßlich die ehemals chinesische Börse Huobi, sowie BitTorrent, die Firma hinter dem dezentralen Netzwerk füs Filesharing, aber auch die Plattform Steem. Hat er nun also auch ein Undercover-Investment in BitGo gelandet?
An sich plausibel
An sich klingt die Partnerschaft sinnvoll. Wenn sich BitGo enger an Tron anlehnt, könnte es von der Tether-Liquidität auf dieser Blockchain schöpfen, etwa durch automatisierte dezentrale Swaps. Das wäre eine ziemlich grandiose Methode, den Wechsel zwischen Bitcoin und Dollar zu verbessern.
Auch die Dezentralisierung der Bitcoin-Vewahrung ist sinnvoll. Zu groß ist bisher die Abhängigkeit von den USA. Einen festen Fuß in mehreren Jurisdiktionen zu haben, könnte auch ermöglichen, die Bitcoins so zu verwahren, dass man sie von einem einzelnen Standort aus überhaupt nicht mehr wegnehmen kann.
Das Upgrade, so das Post weiter, wird in 60 Tagen vollzogen. Das wäre also heute etwa in einem Monat.
Kein Vertrauen zu Justin Sun
Die Community reagierte darauf etwas … entsetzt. „Alles in Ordnung,“ drückt es jemand auf Twitter aus, „bis du liest, dass Justin Sun der strategische Partner in diesem Zug ist.“
Justin Sun ist nämlich nicht nur als Tron-Gründer und Investor in Startups, Token und NFTs bekannt. Er hat auch den Ruf, es mit den Regeln nicht immer so genau zu nehmen. Ihm wird vorgeworfen, bei Poloniex Reserven missbraucht zu haben, und einen zweifelhaften Tausch von Stablecoins auf Huobi initiiert zu haben.
Zudem hat Justin Sun eine Vorgeschichte mit Stablecoins. Er hat auf Tron den Stablecoin USDD herausgegeben, der wegen fehlender Transparenz und unsauberem Management der Reserven kritisiert und von manchen Börsen wieder vom Handel genommen wird. Zudem gab es noch die stUSD auf Tron, die man irgendwie staken kann, bei dem es aber im Hintergrund erhebliche Unstimmigkeiten auftraten.
Zwar ist nichts davon bewiesen, doch der Geruch bleibt haften. So wird Justin Sun, eigentlich ein findiger Geschäftsmann, mutiger Unternehmer und geschickter Investor, für WBTC zur Belastung – zu einem Faktor, der nicht Vertrauen schafft, das mehr nötig ist als alles andere, sondern es unterminiert.
Die Folgen konnte man ziemlich rasch im DeFi-Ökosystem begutachten.
MakerDAO äußerst skeptisch
Bereits am 10. August begann im Forum der MakerDAO-Community, dem Herausgeber des DAI-Stablecoins, eine Diskussion über den Zug von BitGo.
Aufgrund der Konstellation könne man annehmen, mahnte jemand an, dass Justin Sun signifikanten Einfluss oder Kontrolle über die Reserven von WBTC nehmen werde. Angesichts der zweifelhaften Geschichte von Justin Sun mit Reserven im Zusammenhang zu USDD müsse man dem mit Skepsis begegnen.
Daher wurde vorgeschlagen, WBTC als Reserve-Asset für den DAI-Dollar künftig als Risiko zu betrachten. Das „Debt Ceiling“ solle in den Vaults auf Null gekappt werden, so dass es nicht länger möglich wird, DAI-Dollar durch WBTC-Token zu schöpfen.
Sollte BitGo oder andere beteiligte Parteien nicht überzeugend demonstrieren, dass WBTC trotz allem sicher bleibe, sollten weitere Maßnahmen vorbereitet werden – bis hin zu einem vollständigen Offboarding von WBTC, also der kompletten Entfernung der Token.
Der Vorschlag wurde der DAO zur Abstimmung vorgelegt. Bereits am 12. August stimmte sie zu. Das wirkt etwas übereilt, da WBTC eigentlich ein nützliches Gegengewicht zu den Stablecoins in den Vaults der DAO war.
Doch an diesem Tag war das Drama um WBTC bereits weiter gezogen.
Coinbase wirft eigenes Bitcoin-Token in den Ring
Coinbase, die große US-Börse, hatte an diesem Tag angekündigt, einen eigenen tokenisierten Dollar herauszugeben: cbBTC. Dieser sei, so wie WBTC, 1:1 durch Bitcoins in den Wallets von Coinbase gedeckt.
Heute, am 12. September, ging cbBTC live. Bisher gibt es zwischen 1.000 und 1.100 cbBTC auf der Ethereum-Blockchain und dem Rollup Base. Ohne Zweifel besitzt Coinbase die Bitcoins, die hinter diesen Token stehen. Jedoch können die User sie nicht, wie bei WBTC, vollständig transparent einsehen. Es ist nicht öffentlich prüfbar, ob Coinbase nicht die Bitcoins, die Kunden der Börse anvertrauen, einfach doppelt verrechnet.
Mit de Veröffentlichung der „Coinbase Wrapped Bitcoin“ kann man feststellen: Der Krieg der tokenisierten Stablecoins auf verschiedenen Blockchains hat begonnen. Die Veränderung des Modells von WBTC war offenbar ein guter Anlass.
Threshold-Netzwerk möchte WBTC übernehmen
Neben den zentralisierten Bitcoin-Token von BitGo und Coinbase gibt es aber auch dezentrale Alternativen. Eine davon wird vom Threshold Network herausgegeben, welches die Treuhand der hinterlegten Bitcoins über spezielle Nodes dezentralisiert.
Mit insgesamt 11.202 tokenisierten Bitcoins ist Threshold nur einen Bruchteil so groß wie WBTC – aber auch nicht unbedeutend.
Im Forum von Threshold wird ebenfalls über den Zug von WBTC diskutiert. Auch hier sieht man vor allem die Beteiligung von Justin Sun als rote Flagge. Es wird daher vorgeschlagen, WBTC mit Thresholds tBTC zu verschmelzen. Das „zentralisierte Treuhandmodell und das händlerbasierte Mint- und Burn-Modell von WBTC“ sollen durch eine „dezentralisierte Treuhand und einen erlaubnisfreien Minting-Mechanismus“ ersetzt werden.
BitGo würde, soweit ich es verstehe, zu einem Akteur in der DAO werden. Als Entschädigung soll das Unternehmen zum größten Halter der Token von Threshold werden, die einfach nur mit „T“ abgekürzt werden, indem man deren gesamte Menge um 15 Prozent erhöht.
Ob dies jedoch realistisch ist, im technischen Sinne, und ob tatsächlich ein Forum darüber abstimmen kann oder sollte, was eine Firma wie BitGo macht, ist natürlich eine andere Frage.