BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, hat einen Bitcoin-ETF angemeldet. Noch ist die Sache nicht in trockenen Tücher, aber die Chancen stehen gut. Doch was bedeutet das?
Jeder, der im Internet unterwegs ist und sich für Bitcoin interessiert, hat es vermutlich schon mitbekommen: BlackRock, der weltweit größte Vermögensverwalter, möchte einen Bitcoin ETF auflegen, und hat bei der US-Börsenaufsicht SEC einen Zulassungsantrag eingereicht.
Kurz die Rahmendaten:
- Der Fond wird von der BlackRock-Tochter iShares herausgegeben, Mutter einer kaum mehr überschaubaren Anzahl an ETFs.
- Der Bitcoin-ETF wird die Bitcoin-Börsenpreise (“Spot”) 1:1 nachbilden,
- die Coins werden von der Börse Coinbase verwahrt und
- der ETF an der Nasdaq gehandelt.
Der ETF – in der Anmeldung „Trust“ genannt – soll „ein einfaches Instrument darstellen, um ein Investment zu tätigen, das einem Investment in Bitcoin ähnelt, ohne Bitcoins direkt kaufen, halten und handeln zu müssen […] Die Anteile wurden so entworfen, dass sie die Hindernisse aus dem Weg räumen, die durch die Komplexität und operative Schwierigkeiten eines direkten Investments entstehen, während sie zugleich einen intrinsischen Wert [!] haben, der zu jeder Zeit den Bitcoins entspricht, die der Trust besitzt, abzüglich seiner Ausgaben und Verbindlichkeiten.“
Das Ausrufezeichen ist von mir. Es ist eine interessante Wortwahl, den Anteilen des Trusts einen „intrinsischen Wert“ zuzuschreiben, da sie auf Bitcoin basieren. Damit widerspricht BlackRock selbst dem verbreiteten Ressentiment, Bitcoin habe keinen eigenen oder inneren – intrinsischen – Wert.
Warum der BlackRock ETF gute Chancen hat, zugelassen zu werden
Etwas merkwürdig erscheint es, dass Coinbase derzeit im juristischen Kampf mit der SEC ist, welche den ETF noch genehmigen muss, womit die SEC selbst zum Risikofaktor wird. Doch da SEC-Boss Gary Gensler wiederholt betont hat, dass er Bitcoin nicht als Security ansieht, sollte dies kein Hindernis sein. Bei den Prozessen geht es um den Handel mit Altcoins, nicht mit Bitcoin.
Schwieriger wiegen die bisher bekannten Probleme, welche die SEC wieder und wieder bewogen hat, ETFs abzulehnen, auch von etablierten Institutionen. Die SEC argumentierte in der Regel damit, dass der Bitcoin-Markt zu anfällig für Manipulation und Betrug sei, um zur Basis eines ETFs zu dienen, und dass die Regeln, die der Herausgeber des ETFs setze, dies nicht ausreichend verhindern.
Daher sind in den USA bislang nur der „Bitcoin Strategy ETF“ erlaubt, der aber keine „physischen“ Bitcoins hält, sondern nur deren Dollar-Äquivalent, sowie die 1-Tages-Futures von Bakkt. Der ETF von Blackrock wäre der erste Spot-ETF, der die Anteile tatsächlich 1:1 mit Bitcoins abdeckt, die er direkt auf Börsen kauft: „Der Wert des Trusts wird den gesamten Assets des Trusts entsprechen, welche unter anderem allen Bitcoins […] des Trusts meint.“
Der Wert dieser Bitcoins wird durch eine bestimmte Methodologie errechnet, die konsistent mit den US-Prinzipien der Buchführung sind. Die Wahl dieser Methode obliegt dabei vollständig BlackRock, womit der Vermögensverwalter einen gewissen Einfluss darauf hat, wie man den Wert von Bitcoin beziffert. Selbst bei einer überschaubaren Marktkapitalisierung kann der ETF so einen Einfluss auf den Markt nehmen.
Warum aber sollte BlackRock gelingen, woran sich so viele andere Finanzinstitutionen die Zähne ausgebissen haben? Die wahrscheinlichste Antwort ist: Weil BlackRock BlackRock ist. Der Investor Adam Cochran erklärt dies ausführlich.
Lot of weird takes of folks being like "Warren and the Dems will never let the Blackrock ETF happen"
Larry Fink is a card carrying democrat, dem super PAC donor and king maker.
This is one of the bankers who puppets congress members.
Everything just changed.
— Adam Cochran (adamscochran.eth) (@adamscochran) June 17, 2023
„Larry Fink [der CEO von BlackRock] ist Mitglied der Demokraten, ein wichtiger Spender der Partei und Königsmacher. Das ist einer der Banker, der mit den Mitgliedern des Kongresses wie mit Puppen spielt.” Man habe nun ein Stadium erreicht, in dem BlackRock begriffen habe, dass Bitcoin nicht mehr weggehe, und sich daher nun seinen Anteil des Marktes sichere. „Wenn Gensler Fink eine Abfuhr gibt, werden sie klagen, sie werden politische Gefallen einfordern, und sie werden den ETF solange anmelden, bis sie gewinnen.“ Der größte Vermögensverwalter der Welt, mit den politisch am besten vernetzten Bankern der Welt „wird sich nicht einfach so an einem Tag entscheiden, aufzuwachen, um dann einen Kampf zu verlieren.“ BlackRock habe lange vor der Anmeldung „das Fundament gelegt, Gefallen abgerufen und die gesamte politische Landschaft beackert, um es möglich zu machen.“
Dafür spricht, dass sich BlackRock und weitere Banken in Bitcoin eingekauft haben, noch während die Märkte damit beschäftigt waren, die SEC-Klagen gegen Binance und Coinbase zu verdauen.
Did you know that while the SEC is busy suing Binance and Coinbase, BLACKROCK & the biggest banks in the US silently bought RECORD amounts of #Bitcoin 🤯
These banks buying BTC in Q1 2023 include:
🚨 BLACKROCK
🚨 Bank Of America
🚨 FidelityWhat do they know?
🧵 Thread 👇
1/ pic.twitter.com/gQedJH6xLA
— Bitcoin Culture (@BTC_Culture) June 14, 2023
So haben etwa BlackRock, die Bank of America und Fidelity in großem Umfang MicroStrategy-Aktien gekauft, was effektiv eine Wette auf Bitcoin ist. BlackRock hält mittlerweile mehr als 6 Prozent der MicroStrategy-Aktien und ist damit drittgrößter Eigentümer, gefolgt von der Bank of America mit 2,37 Prozent. Das spricht dafür, dass BlackRock optimistisch ist, von der SEC grünes Licht zu erhalten.
Welchen Effekt ein BlackRock-ETF haben kann
Aber was würde es bedeuten? Wir haben nicht mehr 2014. Mittlerweile halten mehr als 20 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner Bitcoins, unter den Millenials sogar rund 50 Prozent. Die Anmeldung bei Börsen wie Coinbase ist nicht komplizierter, als ein Bankkonto zu eröffnen, man kann Bitcoins bei Zahlungsdienstleistern wie CashApp oder PayPal kaufen, und fürs traditionelle Portfolio gibt es den strategischen ETF und die 1-Tages-Futures, in Europa mehrere ETNs. Ein ETF, selbst wenn er von BlackRock stammt, ist längst nicht mehr der Hebel, der die Schleuse zum Mainstream öffnet.
Auch BlackRock erkennt in der Anmeldung an, dass der Effekt überschaubar sein wird: Man sei überzeugt, „dass der Trust kein dominanter Faktor für die Preisbildung der Futures- oder Spotmärkte sein wird.“ Unter den vielen Gründen hierfür zählt BlackRock auch die Größe der Märkte und Liquidität auf. „Das durchschnittliche bereinigte Tagesvolumen des Bitcoin-Spotmarktes vom 1. Januar bis zum 12. Mai 2023 betrug 8,5 Milliarden Dollar“, und die Orderbücher seien tief genug, so dass auch große Käufe kaum einen offensichtlichen Einfluss auf die Preise haben werden.
Etwas anders sieht das Adam Cochran. Der ETF kann dennoch einen großen Einfluss haben. Denn er ist von BlackRock. Erneut spielt weniger das Produkt als der Herausgeber die Hauptrolle.
1/12
Ok, one last bullish BlackRock tweet to round out the weekend.
People don't realize that BlackRock really made the gold market as we know it today.
Pre-BlackRock it was a $1T market.
Now it's about $13T.
So how did they do it? pic.twitter.com/3ToryIl6f4
— Adam Cochran (adamscochran.eth) (@adamscochran) June 17, 2023
Adam verweist auf den Goldmarkt, der vor dem Einstieg von BlackRock ein 1-Billionen-Dollar-Markt war und seitdem auf 13 Billionen gestiegen ist. BlackRock habe eine Armee von Beratern rund um die ganze Welt, die Gebühren dafür bekommen, wenn sie ihre Kunden etwa für iShares-ETFs gewinnen. Nachdem BlackRock Gold-ETFs aufgelegt hatte, begannen die Finanzberater weltweit, Gold in ihre Portfolio-Modelle einzufügen. Sie erzählten ihren Kunden, dass Gold die perfekte Abrundung sei und einen guten Schutz gegen Inflation und andere Risiken einführe, was die Nachfrage nach Gold rasant steigen ließ und zwei Jahrzehnte später zur Standardlehre geworden ist.
BlackRock, schließt Adam Cochran, war nicht der erste Vermögensverwalter, der einen Gold-ETF herausgab. Aber erst BlackRock schaffte es, goldbasierte Finanzprodukte global zum Standard-Inventar von Portfolios zu machen.
Man muss das nicht vollständig übernehmen, und es ist vermutlich eine etwas unausgewogene Darstellung des Goldmarktes. Aber es ist ein Argument, über das man nicht vollständig hinwegsehen sollte.
Wird der ETF eine Bedrohung für die Unabhängigkeit von Bitcoin?
Wenn es BlackRock gelingt, im großen Stil neue Investoren für Bitcoin zu gewinnen – sagen wir, im Wert von mehreren hundert Milliarden Dollar – könnte der Vermögensverwalter so viele Bitcoins anhäufe, dass er zu einem wichtigen Akteur in diesem Markt wird. Für viele Bitcoiner ist es jedoch schon ausgemacht, dass BlackRock allein wegen seiner großen Masse diesen Einfluss erreichen und dann auch ausnutzen wird.
Dabei erregt besonders eine Randnotiz im Zulassungsantrag über Forks Sorgen. Wenn es eine Hardfork im Bitcoin-Netzwerk geben werde, so BlackRock, werde der Sponsor – also iShares – “bestimmen, welches Netzwerk das angemessene Netzwerk für die ZWecke des Trusts ist, und dies könnte auch den Wert der Anteile negativ beeinflussen.” Der Sponsor werde nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung für das Netzwerk treffen. Maßgebliche Faktoren sind, unter anderem “die Erwartung, wie sich die Core-Entzwickler, die User, die Dienstleister, Unternehmen, Miner und andere Akteure” entscheiden werden. Es gebe jedoch keine Garantie, dass der Sponsor das Asset auswählen werde, das am Ende den höchsten Wert habe, oder dass er sich mit seiner Entscheidung im Konsens mit Anlegern, Börsen und anderen Akteuren befindet.
BlackRock könnte sich also für die Version entscheiden, welche nicht den Bitcoin-Idealen entspricht, und diese auch dank seiner Bestände durchsetzen. So unwahrscheinlich dies ist, zeigt allein das Szenario die Probleme, die damit einhergehen, wenn Bitcoin weniger als Zahlungsmittel und Instrument zur monetären Autonomie betrachtet wird, denn als Wertspeicher, den man auch Vermögensverwaltern anvertrauen kann. Bitcoin benötigt selbstverantwortliche User, um Bitcoin zu bleiben. Reine Investoren reichen nicht aus.