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In der Realität wird Lightning zur fast perfekten Antithese von Bitcoin

source-logo  bitcoinblog.de 23 März 2023 05:35, UTC

Mittlerweile gibt es einige Statistiken zu Bitcoins Lightning-Netzwerk. Ihnen zufolge bleibt Lightning sehr weit unter den Erwartungen. Hatten all die Nörgler und Skeptiker doch recht? Und wird es Zeit für die Bitcoin-Community, loszulassen, auch wenn es weh tut?

Im Februar 2018, also vor gut fünf Jahren, gingen die ersten Lightning-Knoten live. Seitdem wächst und gedeiht das Lightning-Netzwerk, wird die Bitcoin-Szene nicht müde, zu erklären: Das “das weltbeste Zahlungssystem” erreicht unaufhaltbar Börse um Börse und Zahlungsanbieter um Zahlungsanbiete, läuft an den Kaffeetheken von Bitcoin-Konferenzen wie geschmiert, wartet in immer mehr Kneipen, Bars und Läden auf, und die internationalen Zahlungen, von El Salvador über Nigeria bis Simbabwe, finden dank Lightning blitzschnell und fast kostenlos statt während … — Stopp!

Das klingt schön, ist aber Marketing und Wunschdenken. Mit der Wirklichkeit hat dies alles nicht viel zu tun. Wir haben nun, nach fünf Jahren, einige Statistiken zu Lightning. Und keine von ihnen bestätigt diese Story.

Zum Beispiel Bitrefill, ein Händler, der Gutscheinkarten oder Mobilfunkguthaben gegen Bitcoin und andere Kryptowährungen verkauft. Kaum ein Bitcoin-Unternehmen hat so sehr für Lightning geworben wie Bitrefill, kaum eines so viel an Lightning-Konferenzen teilgenommen, und kaum eines sich so sehr bemüht, seine Kunden darüber aufzuklären, wie man Lightning verwendet. Als Bitrefill daher im Februar vorstellte, zu welchen Anteilen die Kunden mit was bezahlen, hätte man erwartet, dass Lightning ganz vorne mit dabei ist.

Check out the most popular payment methods used over the past 3 months on Bitrefill. 👀

What other metrics and statistics would you be interested in?

Respond in the comments. #metrics #bitcoin #ethereum #stablecoins pic.twitter.com/RTHpjksXq7

— Bitrefill (@bitrefill) February 13, 2023

Doch das ist die bittere Wirklichkeit: Während 26,6 Prozent mit Bitcoin onchain bezahlen, nutzt nur ein sehr kleiner Anteil Lightning. Vielleicht 2-3 Prozent. Ethereum, Binance Pay, USDT, USDC, und Litecoin werden deutlich häufiger verwendet, noch seltener nur Dogecoin und Dash. Kein Wunder klang Bitrefill-CEO Sergej Kotliar schon im Juli 2022 etwas enttäuscht, als er auf der Pizza Day Prague Konferenz über Lightning redete.

Kotliar zeigte damals einen Chart mit der Verteilung der Transaktionen. Auch hier rangierte Lightning mit knapp fünf Prozent hinter Litecoin – es hat sich also in den letzten acht Monaten nichts verändert. Vor vier Jahren hätte er, erzählt Kotliar, erwartet, dass Lightning heute 90 Prozent der Zahlungen ausmacht anstatt fünf. “Wenn deine Beobachtung der Welt nicht deiner persönlichen Schätzung entspricht,” meint der CEO, “solltest du diese evaluieren.” Doch bei der Frage, was schief ging, vermeidet Kotliar die Option, dass er sich bei der Einschätzung der Technologie geirrt habe. Stattdessen meint er, dass Lightning ein Marketing-Problem habe – was nach rund sechs Jahren Dauerwerbung in der Bitcoin-Szene eine doch etwas gewagte These ist.

Bitrefill ist dabei keine Ausnahme. Denn nicht weniger durchwachsen fallen die Statistiken bei BitPay, dem größten Bitcoin-Zahlungsanbieter, aus. BitPay hat im April 2022 Lightning-Zahlungen eingeführt und konstatiert im Februar 2023 nun, dass die Lightning-Zahlungen “rapide wachsen” – und zwar um 238 Prozent seit Mittlerweile gibt es einige Statistiken zu Bitcoins Lightning-Netzwerk. Hatten all die Nörgler und Skeptiker doch recht? Und wird es Zeit für die Bitcoin-Community, loszulassen, auch wenn es weh tut?April 2022. Unter der wohlmeinend sich an die Bitcoin-Community anbiedernden Überschrift präsentiert BitPay aber unverhüllt eine andere Zahl, und vermutlich ist das Absicht: Es gab im Dezember 2022 gerade mal 1.111 Lightning-Zahlungen im Monat. Das sind nicht mal 40 am Tag! Von den insgesamt 81.531 Krypto-Transaktionen, die BitPay in den letzten 30 Tagen angewickelt hat, macht Lightning also nicht mal 1,5 Prozent aus.

Here's a breakdown of usage (by $ volume) on Coincards by percentage in February '23:#BTC (Onchain): 40.8%#XMR: 17.7%#Ethereum: 14.2%#LTC: 11.2%#USDT: 6.6%#USDC: 4.5%#BinancePay: 3.3%#LightningNetwork: 2%#Dogecoin: 0.4%#DAI: 0.3%#MATIC: 0.2%#APE: 0%#SHIB: 0%

— Coincards.com – Buy Gift Cards with Bitcoin! (@CoinCards) March 6, 2023

Das entspricht dem, was Coincards, ein anderer Anbieter von Gutscheinkarten für Kryptowährungen, Monat für Monat präsentiert, zuletzt für Februar 2023: Etwa zwei Prozent der Zahlungen laufen über Lightning. Bitrefill ist mit fünf Prozent Lightning-Zahlungen also durchaus eine Ausnahme – nur nicht so, wie erhofft.

Die vorliegenden Daten zeigen in beeindruckendem Gleichklang, dass kaum jemand Lightning benutzt. Und das, möchte man hinzufügen, ist auch gut so, wenn man sich die Daten anschaut, die über die wenigen Lightning-User vorliegen. Denn diese stützen das, was wir bereits aufgrund von Statistiken von Googles PlayStore vermutet haben: Eine überwältigende Mehrheit der Lightning-User nutzt Treuhandwallets.

Dies begint damit, dass BitPay die am häufigsten verwendeten Lightning-Wallets nennt. Zwar ist Muun, eine nicht-treuhänderische Wallet, am beliebtesten, doch gut die Hälfte der User verwendet die Treuhandwallets Wallet of Satoshi, Cash App und Blue Wallet.

4/ Over 90% of our payments from El Salvador are now coming through the Chivo app. pic.twitter.com/rRx1btadKm

— Bitrefill (@bitrefill) November 18, 2021

Ein etwas älterer Datenpunkt kommt wieder von Bitrefill. Auf der AdoptingBTC-Konferenz in El Salvador stellte Sergej Kosliar im November 2021 vor, welche Lightning-Wallets die Einwohner El Salvadors benutzen, wenn sie bei Bitrefill bezahlen. In 90 Prozent der Fälle ist es die Chivo-Wallet (staatliche Treuhand). Von den verbliebenen 10 Prozent fallen sehr große Teile an Strike und Bitcoin Beach (beide private Treuhand). Nur ein kleiner Teil, maximal ein Viertel, ist von nichttreuhänderischen Wallets. Die Daten sind nicht ganz aktuell, aber wenn rund 97,5 Prozent der El Salvadorianer ihre Schlüssel für Bitcoin nicht selbst verwalten — sollte einem das schon etwas sagen.

Das ist nicht top, ganz und gar nicht pic.twitter.com/bsON2jCYQt

— OrangedMike 🏴 (@orangedmike) March 21, 2023

Den letzten Datenpunkt schließlich steuert ein Benutzer eines Lightning-Nodes bei. Er hat geprüft, woher Zahlungen kommen, durch die User des sozialen Netzwerks Nostr andere User für ihre Beiträge belohnen. 95 Prozent der Zahlungen sind von Treuhandwallets. Es geht dabei um spezielle Zahlungen, weshalb dieser Datenpunkt vermutlich ein zu düsteres Bild zeichnet. Andererseits handelt es sich bei den Nostr-User um Bitcoiner, also um Lightning-Early-Adopter. Wie sehen die Zahlen aus, wenn – falls – Lightning mal wirklich Mainstream wird?

Nach mehr als fünf Jahren Lightning Netzwerk dürfte es also kaum mehr zu bezweifeln sein: Kaum jemand möchte Lightning benutzen, und diejenigen, die es doch tun, geben dabei in der Regel die Kontrolle über ihre Schlüssel ab. Man könnte noch hinzufügen, dass Lightning, zu allem Überfluss, noch nicht mal zuverlässig funktioniert, sobald man Beträge von mehr als sagen wir 20 Euro überweist.

Summa Summarum hat das Lightning-Netzwerk Bitcoin also zu einem Zahlungssystem gemacht, das unzuverlässig funktioniert, es den Usern erschwert, ihre Schlüssel selbst zu verwalten, und insgesamt am Markt auch schreiend schlecht ankommt. Nach fünf Jahren kann man nicht mehr sagen, dies seien Geburtswehen, die Technik entwickle sich noch und die User käm noch. Die Probleme von Lightning sind die vermutlich unvermeidbare Folge eines Designs, dass das Offchain-Netzwerk zur fast perfekten Antithese zu Bitcoin macht.

The Lightning Network will be remembered as the greatest boondoggle in cryptocurrency history. /1https://t.co/fWDhs6dQdJ

— Peter R. Rizun (@PeterRizun) March 4, 2019

Viele BigBlocker haben dies schon vor langem prophezeit, etwa Peter Rizun von Bitcoin Cash, der bereits 2019 höhnte, Lightning werde als “das größte Boondoggle in die Geschichte der Kryptowährungen” eingehen. Ein Boondoggle ist die kreativere englische Variante der “Investitionsruine”. Lightning sei, spottete Rizun weiter, “eine kollektive Täuschung, die so intensiv war, dass selbst Leute, die gewöhnlich smart sind, überzeugt wurden, dass sie das blühende Bitcoin-Netzwerk durch eine Monströsität der Komplexität ersetzen sollten, obwohl jeder, der nicht der Lightning-Täuschung erlag, sofort erkannte, dass es niemals funktionieren würde.”

Trotz aller Abneigung gegen Bitcoin Cash, gegen Big Blocks, gegen Peter Rizun, gegen all die Nörgler und Skeptiker, trotz der vielen investierten Stunden, der Experimente mit Wallets, der kollektiven Begeisterung – die Bitcoin-Community sollte sich fragen, ob Rizun nicht irgendwie doch recht hatte? Alle Daten deuten darauf hin, dass Lightning ein kolossaler Holzweg ist. Wenn die Beobachtung der Welt von den eigenen Erwartungen abweicht, wird es Zeit, diese zu überdenken; und dass man gutes Geld in eine Sache gesteckt hat, ist ein schlechter Grund, dem guten schlechtes Geld hinterher zu werfen.

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