Im Sommer unterbeschäftigte österreichische Datenschützer:innen und Krypto-Liebhaber:innen gleichermaßen haben ab August eine neue Fragestellung, der sie nachgehen können: Sollten sie sich von Worldcoin die Iris scannen lassen, um dann an einem welweiten Krypto-basierten Zahlungsnetzwerk teilnehmen zu können? In den nächsten Tagen jedenfalls wird man an drei Standorten in Wien die verspiegelten Orb-Scanner finden können, wo der Augen-Scan stattfindet. Die treibende Kraft des Worldcoin-Projektes ist der ehemalige US-Botschafter in Österreich, der Internet-Unternehmer Trevor Traina.
Trainas Aufgabe: Das umstrittene Startup der Gründer Sam Altman (auch CEO von OpenAI) und dem deutschen Unternehmer Alex Blania nun auch in Österreich populär machen. Die Grundidee: Jede:r Mensch soll sich eindeutig per Iris in einem Blockchain-Netzwerk identifizieren können, um dann mit einer ID und dem WLD-Token Transaktionen durchführen zu können – „Proof of Personhood“ nennt sich das im Fach-Jargon. Eine Smartphone-App rundet das Gesamtbild ab.
Ehemaliger US-Botschafter macht das Business Development
Österreich ist das nächste Land, in dem Worldcoin offiziell startet, nach Deutschland, den USA, Japan, Südkorea, Kolumbien, Argentinien, Chile, Ecuador, Mexiko, Peru und Singapur – auch in Spanien und Portugal ging Worldcoin an den Start. An drei Standorten (Spiegelgasse 13 im 1. Wiener Bezirk, im Innovations-Hub weXelerate sowie im Wiener Donauzentrum) kann man sich ab dem 31. Juli die Augen scannen lassen. Damit bekommt man eine eindeutige World ID und wird einer von aktuell etwa 6,3 Millionen Nutzer:innen des Netzwerks.
Mit Traina hat das Worldcoin-Projekt, hinter dem das Unternehmen Tools For Humanity (TFH) steht, einen bekannten Namen gewonnen. Traina war von 2018 bis 2021 Botschafter der Vereinigten Staaten in Österreich und wurde vom ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Seit Anfang 2024 ist der Tech-Unternehmer und Diplomat Chief Business Officer von TFH und damit auch fürs Business Development in Österreich zuständig. Nebenbei bemerkt: Traina gehört auch zu einem Netzwerk an Investoren und Tech-Unternehmern, die Donald Trump unterstützen (mehr dazu hier).
Worldcoin: Kontroverses Augen-Scan-Projekt holt 115 Mio. Dollar von Krypto-Investoren
Augen-Scan: Für eine Handvoll Token
Was bringt Worldcoin nun? Der WLD-Token launchte wie berichtet im Juli 2023 – und hat sich preislich seither interessant entwickelt. Zwar liegt WLD aktuell bei etwa 40% über dem Startpreis und ist je Token etwa 2,30 US-Dollar wert. Jedoch war WLD auch schon mal fast 12 Dollar wert, und zeigt jene hohe Volatilität vieler Kryptowährungen, die von Hypes und Flops getrieben wird. Im Krypto-Business ist WLD nicht relevant, der Token ist gerade mal unter den 100 größten Krypto-Assets nach Marktkapitalisierung.
Um möglichst viele neue User zur Nutzung zu locken, verschenkt Worldcoin WLD-Token an alle, die ihre Augen scannen lassen. Aktuell gibt es für österreichische User bis zu 60 WLD für die Verizifierung an einem der Orb-Standorte – nach aktuellem Kurs sind das immerhin fast 130 Euro. Die WLD-Token bekommt man aber nicht auf einmal, sondern über Zeit nach und nach ausgeschüttet. Und zwar dann, wenn man die App, in der man auch Bitcoin und Ethereum kaufen kann, auch brav benutzt.
„Worldcoin wurde entwickelt, um das weltweit größte Identitäts- und Finanznetzwerk zu werden. Es soll einen fairen und sicheren Zugang zur globalen Wirtschaft ermöglichen – unabhängig von Herkunft oder Wohnort“, heißt es offiziell. In der Praxis bedeutet das aber auch: Wer sich die Augen scannen lassen möchte, muss zu einem der Standorte etwa in Wien kommen und auch seinen Ausweis mitnehmen. So frei ist der Zugang dann doch nicht.
Kontrovers wird es bei Worldcoin, wenn es um die User-Daten geht. Zwar wird stets beteuert, dass es nicht darum gehe, Informationen wie Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, soziale Profile oder Ausweise zu erfassen, sondern die Menschen lediglich per Augeniris zu identifizieren. „Da kein Mensch dasselbe Iris-Muster hat und es sehr schwer ist, diese Muster zu fälschen, kann der Orb dich zuverlässig von allen anderen Menschen unterscheiden, ohne zusätzliche Informationen erfassen zu müssen – nicht einmal deinen Namen“, heißt es seitens des Projekts.
Worldcoin: WLD-Kryptowährung des kontroversen Augenscan-Startups startet
Biometrische Daten im Visier der Datenschützer
Doch da es am Ende doch um biometrische Daten geht, sind Datenschützer:innen in mehreren Ländern bereits alarmiert. Die spanische Datenschutzbehörde AEPD hat Worldcoin om März 2024 angewiesen, die Erfassung und Nutzung personenbezogener Daten für bis zu drei Monate einzustellen. Diese Maßnahme erfolgte aufgrund mehrerer Beschwerden bezüglich unzureichender Informationen, Datenerhebung von Minderjährigen und fehlender Möglichkeit zum Widerruf der Einwilligung. Auch in Portugal, Frankreich und Deutschland wird bzw. wurde die DSGVO-Konformität von Worldcoin schon geprüft.
Technisch gesehen ist der WLD-Token keine Besonderheit, sondern basiert wie zahlreiche andere Krypto-Assets als ERC20-Token auf Ethereum. Interessanter ist da schon die Token-Verteilung, die die Macher anstreben. Insgesamt sollen über die nächsten 15 Jahre eine Milliarde Token ausgeschüttet werden. 75 Prozent ist für die User reserviert, die sich durch Iris-Scan und Nutzung WLD verdienen können. Die restlichen 26 Prozent haben sich aber Altman, Blania und ihre Investoren reserviert: 13,5 Prozent bekommen die Investoren von Tools for Humanity, 9,8 Prozent das Entwickler-Team selbst.
Und wer sind nun die Investoren? Unter anderem Blockchain Capital, Andreessen Horowitz, Bain Capital Crypto und Distributed Global, die bei einer Finanzierungsrunde 2023 115 Mio. Dollar in das Startup steckten. Was werden diese Investoren am Ende wollen? Klar, keine WLD-Token, sondern harte Dollars. Und dafür muss Worldcoin eines tun: wachsen. Auch in Österreich.
Worldcoin: 25% aller WLD-Token gehören Entwicklerfirma und ihren Investoren