Es gibt nur wenige Personen, die im Krypto-Space prominenter sind als Cardano-Chef Charles Hoskinson. Ein Gespräch über Erfolg, Visionen und Bisons.
Charles Hoskinson ist einer der einflussreichsten Menschen in der Krypto-Szene. Viele kennen den 35-jährigen Multimillionär als Erfinder von Cardano, eines der erfolgreichsten Blockchain-Projekte der Industrie. Wie er mit seinem Erfolg umgeht, wieso er Bitcoin-Maximalisten als “jenseits von dumm” bezeichnet und wann ADA to the Moon geht, erzählt er im Interview mit den BTC-ECHO-Redakteuren Giacomo Maihofer und Daniel Hoppmann.
BTC-ECHO: Du besitzt eine Farm in Wyoming. Wie viel Zeit verbringst du dort?
Charles Hoskinson: Ich besitze zwei Grundstücke. Eine 50-Acker-Farm in Colorado. Dort baue ich Heu an. In Wyoming liegt meine Ranch mit 500 Bisons. Sie laufen herum und versuchen, mich zu töten. Unter der Woche bin ich in Colorado, weil mein Büro in der Nähe liegt. Am Wochenende fahre ich auf die Ranch.
Wie sieht dein Alltag aus?
Wenn ich an einem Ort bin, dann stehe ich um fünf Uhr auf, trainiere, fühle mich gut, meditiere jeden Morgen. Doch ich reise bis zu 250 Tage im Jahr. Da kannst du so eine Routine nicht halten. Ich fliege mit meinem Privatjet. Dort arbeite ich auch.
So geht es jeden Tag. Noch bin ich mit 35 Jahren relativ jung und kann das durchhalten. Doch ich glaube, mit 40 oder 50 Jahren muss ich die Intensität zurückschrauben.
Hättest du jemals damit gerechnet, dass dein Leben so werden würde, wie es heute ist?
Nein, ich war mir sicher, ich werde Mathematiker. Letztlich stellte sich heraus: Ich mag Geld mehr als Mathe. Also entschloss ich mich für die Erschaffung von Geld – und es ist großartig. Ich kann alles tun, was ich schon immer wollte. Wir arbeiten mit den größten Krypto-Forschungsgruppen der Welt zusammen und ich kann trotzdem noch ein Sesselpupser sein.
Mein Erfolg als Geschäftsmann überrascht mich selbst. Ich sah mich als Boss eines kleinen Start-ups. Jetzt leite ich eine Firma mit über 700 Mitarbeitern und nebenher noch vier andere Unternehmen, beispielsweise im Bereich Biomedizin. Ich sage immer: Ich habe zwei Dosen Gehirn, aber nur eine halbe Dosis Persönlichkeit. Ich musste viele Führungsfähigkeiten lernen, vor allem: wie man richtig gut zuhört. Das war schwer.
Was liebst du mehr: die Natur oder Blockchain?
Oh, die Natur – bei Weitem. Ich habe eine sehr persönliche Beziehung zu ihr. Die Natur ist ein guter Spiegel der Realität. Wenn du Heu anbaust, kannst du nicht lügen. Entweder ist es gut geworden – oder nicht. Egal, ob du ein Milliardär bist oder ein großer Macker mit toller Reputation. Die Natur entfernt dein Ego.
Tatsächlich sehe ich auch eine Verbindung zur Blockchain: Mit diesen Protokollen versuchen wir im Grunde, eine künstliche Version der Natur nachzubilden. Wenn du so willst: eine soziale Form der Physik. Es geht darum, wie wir im 21. Jahrhundert mit Vertrauen umgehen.
Inwiefern?
Die Blockchain gibt uns einen neutralen Boden, wie die Natur. Ein schwarzes Brett, auf dem alle Dinge überprüfbar sind. Jeder erhält die gleichen Daten und den gleichen Zugang. Ein Nationalstaat wie Deutschland. Aber auch ein Farmer im Senegal. Deine Macht oder Reputation zählt nicht. Wir können diese Protokolle nehmen und für soziale Dinge nutzen. Damit verändern: wie unser Geld funktioniert oder unsere Wahlen.
Die Realität vieler Blockchain-Systeme sieht aber anders aus. Machtstrukturen existieren sehr wohl. In dezentralen Organisationen (DAOs) zum Beispiel, einer Art von Krypto-Demokratie. Die Menschen mit den meisten Token haben das größte Stimmrecht.
Wir sind uns dieser Macht bewusst. Wir sehen und fühlen sie. Das heißt: Wir können ein besseres System schaffen. In den meisten Strukturen ist die Verteilung der Macht aber versteckt. Du hast den Präsidenten und hinter ihm diesen ganzen riesigen bürokratischen Apparat. Du weißt nicht, wer wirklich die Entscheidung trifft – und wie.
Regierungen und ihre Bürokratie brauchen außerdem Dekaden, um sich zu verändern – wenn nicht Jahrhunderte. Die Krypto-Industrie erfindet sich alle fünf Jahre neu. Du bekommst immer wieder eine andere soziale Struktur. Wir können eine neue Version einer DAO bauen, die egalitärer ist. Wir haben Transparenz. Wir sehen das Problem und quantifizieren es. Es ist der erste Schritt für eine Verbesserung. Das gibt mir Hoffnung.
Hast du das Gefühl, dass es durch den Zustrom an VCs und großen institutionellen Playern wie BlackRock in Krypto immer stärker ums Geld geht?
VCs sind einfach nur Söldner. Ich mache mir keine großen Sorgen um sie. Es ging immer um Geld. Die Leute kommen deswegen in den Space. Aber sie bleiben – wegen der Philosophie. Sie verlieren sich in etwas, das größer ist als das Anhäufen von Reichtum. Das Konzept von Geld selbst steht hier auf dem Spiel. Was heißt es, ein Millionär zu sein? Lass die BlackRocks und VCs kommen. Wenn die Protokolle rein sind, dann können sie den Kern des Systems nicht verändern. Sie können an den Rändern ihr Ding machen. Sie werden versuchen, es zu regulieren. Aber das Protokoll wird dem widerstehen. Das ist die große Herausforderung unserer Zeit: der nächste Wachstumssprung und Meilenstein. Wenn wir das überwinden, können wir die Welt verändern.
Und was ist, wenn die Technologie nicht rein ist?
Dann weißt du durch die Transparenz, dass sie uns unterwandert haben. Das ist die Magie der Blockchain. Wir bauen einfach ein neues System auf.
In der Vergangenheit hast du Bitcoin-Maximalisten als „jenseits von dumm“ bezeichnet. Woher kommt deine Antipathie?
Ich liebe Bitcoin. Das Problem ist: Bitcoin hat sich verändert. Nicht ich. Ich habe investiert, bevor er noch einen US-Dollar wert war. Wir hatten kein Geld. Die Konferenzen waren winzig. Es gab eine Theke. Unser Barista war Starbucks. Wir mussten für alles zahlen. Und ungefähr zwölf Leute kamen. Und wir dachten: Das ist so cool! Ich rede mit anderen Leuten. Wow, wir werden die Zukunft verändern! In diesen Anfangstagen war Bitcoin ein Sammelbecken für wirklich tolle Leute, wie Roger Ver. Er war großartig. Er ging zum Friseur, ins Café und Restaurant, kaufte etwas und sagte: Ich verlasse diesen Laden nicht, bevor ihr Bitcoin akzeptiert. Diese Leute haben die Kryptowährung groß gemacht.
Heute ist Bitcoin für viele eine Art Religion geworden, die der Doktrin von Satoshis Whitepaper folgt. Jeder, der davon abweicht, wird exkommuniziert. Und ich sage: Leute, wir lernen, wir wachsen. Es sind dreizehn Jahre vergangen. Wir haben tolle neue Erfindungen.
Hältst du Maximalismus, egal in welcher Form, für schädlich?
Maximalismus ist für mich ein Eingeständnis, dass etwas tot ist. Unser größtes Problem ist eine gewisse Stammesmentalität innerhalb der Industrie. Jeder hat seine eigenen Tokens und will ihren Nutzen steigern. Finanzielle Anreize halten uns also davon ab, zusammenzuarbeiten. Das führt dazu, dass sich Leute gegenseitig angreifen, die eigentlich kooperieren sollten.
Wann geht Cardano to the Moon?
Der Preis ist für mich bedeutungslos. Wen interessiert das? Was zählt, ist, wo wir in fünf, zehn und fünfzehn Jahren stehen. Können wir zurückschauen und sagen, die von uns gebauten Technologien haben etwas geschaffen, das es nie zuvor gab?
In 2023 bringen wir Mikrotransaktionen auf Cardano. Darüber sprach ich erstmals 2014, bei meinem ersten TED-Talk. Ich sagte: Wir werden Leuten in Kenia damit Kredite auf der Blockchain ermöglichen. Und acht Jahre später sind wir in einer Position, das zu tun. Das war kein Zufall. Ich ging nach Afrika, wir knüpften Beziehungen, investierten in Firmen, bauten selbst welche auf, kreierten Stablecoins. All das, um an diesen Punkt zu kommen.
Wenn wir damit das Leben eines Menschen verändern, haben wir unser Versprechen eingelöst. Das ist alles, was zählt. Und es ist eine unendliche Leiter. Du stehst morgens auf und sagst dir: Heute mache ich den nächsten Schritt. Und wenn es nützlich für die Leute ist, wird es wachsen. Von ganz allein.
Vielen Dank für das Gespräch.