Die Zinswende zeigt Wirkung: Circle deckt die USDC zu großen Teilen mit US-Staatsanleihen, und Tether pflegt es mit den USDT mittlerweile ebenso. Wer Stablecoins hält, wird damit indirekt zum Gläubiger der US-Regierung – bekommt aber leider keine Zinsen.
Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 44 Milliarden Dollar wurde der Circle-Dollar USDC zum zweitwichtigsten Stablecoin nach Tether (USDT). Während die Tether-Dollar den etwas zwielichten Ruf haben, ein Schmuddelkind zu sein, erfreuen sich die USDC der Reputation, der seriöse, erwachsene Stablecoin zu sein. Dies könnte vielleicht auch daran liegen, dass die beiden Herausgeberinnen, Circle und Coinbase, in den USA beheimatet und reguliert sind.
Ende November haben die Wirtschaftsprüfer von Grant Thornton das monatliche Audit der Dollar-Reserven von USDC ausgeführt. Sie bestätigen, dass Circle zum Stichtag den 30. November mehr Dollar besaß als es USDC gibt. Die Reserve von damals 43,404 Milliarden Dollar enthielt zum ersten Mal auch US-Staatsanleihen – und zwar über 12,761 Milliarden Dollar. Bei einem Zinssatz von 3-4 Prozent ist dies ein lukratives Geschäft.
So lukrativ, dass Circle seit dem letzten Audit weiter zugelangt hat. Der Vermögensverwalter Blackrock listet den „Circle Reserve Fund„, der zu 100 Prozent aus Staatsanleihen besteht. Sein Wert ist mittlerweile auf 28,663 Milliarden Dollar gestiegen, was gut 65 Prozent aller Circle-Dollar ausmacht. Dank Zinswende wird dies für die Herausgeber zur Goldgrube: Allein durch Zinsen verdienen sie im Jahr eine Milliarde Dollar.
Damit wirken die USDC etwas seriöser als die Tether-Dollar. Doch auch diese wirken immer solider. Ende September ließ Tether ein Audit erfolgreich durchführen, und die Webseite zeigt mittlerweile in vorbildlicher Weise, woraus die Reserven bestehen. Sie enthalten nur noch gut 10 Prozent Dollar und bestehen überwiegend aus einem bunten Korb möglichst sicherer und damit dollarähnlicher Werte. Neben digitalen Token, gesicherten Darlehen und Unternehmensanleihen findet man auch hier einen hohen Anteil von US-Staatsanleihen, der insgesamt sogar auf rund 38 Milliarden Dollar kommen sollte.
Die DAI-Dollar schließlich, der wichtigste algorithmische Stablecoin, wird durch Token abgedeckt. Diese Token bestehen zu den größten Teilen aus USDC und Ether, doch die Maker-DAO, die den DAI-Dollar herausgibt, ist im Begriff, ebenfalls US-Staatsanleihen aufzunehmen.
Stablecoins wurden also zu wichtigen Finanziers des US-Staates. Tether und Circle halten zusammen beinah 70 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen. Von den insgesamt 2,1 Billionen Dollar Schulden, die die USA durch Staatsanleihen aufgenommen haben, ist das schon mal ein sichtbarer Teil – 3,3 Prozent. Wäre es denkbar, dass Stablecoins die elegantere Methode sind, um Staatsanleihen herauszugeben?
Denn letzten Endes sind USDC und Tether genau das: Token, die nicht länger Dollar repräsentieren, sondern US-Staatsanleihen oder, im Falle von Tether, auch andere Wertpapiere. Grundsätzlich gesehen wäre es möglich, dass die Token verzinst werden, zumindest mit einem Teil der 3-4 Prozent, die die Herausgeber dafür erhalten, und sei es nur ein Prozent. Es wäre ein faszinierendes Modell, und im Grunde könnte man durch solche Stablecoins Anteile jedes beliebigen Investmentfonds abbilden. Regulatorisch gesehen dürfte dies aber wohl eher Alptraum als Traum sein.