S&P Global Ratings hat Tether, den Emittenten der weltweit größten Stablecoin USDT, auf die niedrigste Stufe seiner Stabilitätsskala herabgesetzt. Offiziell wird die Fähigkeit von USDT, dauerhaft an den US-Dollar gekoppelt zu bleiben, nun als „schwach“ eingestuft. Auslöser ist ein wachsender Anteil risikoreicher Vermögenswerte in den Reserven – allen voran Bitcoin. Für einen Markt, der in weiten Teilen auf USDT als digitalem Dollar basiert, wirft diese Einschätzung neue Fragen auf: Steht die Stabilität des Stablecoin-Sektors auf wackeligeren Beinen als bisher angenommen oder handelt es sich lediglich um ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte der sogenannten „Tether FUD“ – also Angst, Unsicherheit und Zweifel (Fear, Uncertainty and Doubt), die immer wieder rund um das Unternehmen und seinen Stablecoin geschürt werden?
Warum S&P Tether neu bewertet hat
S&P Global Ratings stufte die Stablecoin-Stabilität von Tether von 4 („constrained“) auf 5 („weak“) herab – die niedrigstmögliche Bewertung innerhalb des firmeneigenen Systems. Diese Entscheidung richtet sich nicht gegen das Konzept von Stablecoins im Allgemeinen, sondern explizit gegen die wachsenden Risiken innerhalb der USDT-Reserve. Tether ist zwar die älteste und volumenstärkste Stablecoin am Markt, doch gerade dieser Systemstatus macht strukturelle Schwächen besonders relevant. Jede Veränderung aufseiten von USDT wirkt sich potenziell auf den gesamten Kryptomarkt aus.
to S&P regarding your Tether rating:
We wear your loathing with pride.
The classical rating models built for legacy financial institutions, historically led private and institutional investors to invest their wealth into companies that despite being attributed investment grade…
— Paolo Ardoino 🤖 (@paoloardoino) November 26, 2025
Nach Ansicht von S&P ist Tether zunehmend verwundbar gegenüber Marktschwankungen, da sich ein wachsender Teil der Reserven nicht mehr aus klassischen, risikoarmen Vermögenswerten zusammensetzt. Mit diesem Schritt signalisiert die Ratingagentur, dass die bisherige Risikostruktur von USDT aus Sicht traditioneller Finanzmodelle nicht mehr als ausreichend stabil gilt.
Warum Bitcoin in Tethers Reserven zur Gefahr wird
Im Zentrum der S&P-Kritik steht der steigende Bitcoin-Anteil innerhalb der USDT-Reserven. Laut aktueller Einschätzung macht BTC mittlerweile rund 5,6 Prozent der Deckung aus. Das Problem dabei: Die Überbesicherung von Tether liegt nur noch bei rund 3,9 Prozent. Selbst moderate Kursverluste könnten daher dazu führen, dass die gesamte Reserve nicht mehr vollständig durch entsprechende Vermögenswerte gedeckt ist – ein Szenario, das bei einem Stablecoin besonders kritisch wäre.
Zusätzlich zu Bitcoin hält Tether weitere risikobehaftete Werte wie Gold, Unternehmensanleihen und besicherte Darlehen. Genau diese Mischung sorgt bei S&P für Bedenken: Eine gleichzeitige Abwertung mehrerer dieser Positionen könnte die Deckung des Stablecoins unter Druck setzen. Damit wird USDT zunehmend von der Stabilität volatiler Märkte abhängig.
Reserven, Transparenz und sinkende Sicherheitsmargen bei Tether
Laut dem letzten, von BDO Italia bestätigten Bericht hält Tether Reserven im Wert von rund 181 Milliarden US-Dollar bei einer Umlaufmenge von etwa 174 Milliarden USDT. Das ergibt eine Besicherungsquote von etwa 103,9 Prozent – ein Rückgang gegenüber den 105,1 Prozent im Vorjahr. Gleichzeitig ist der Anteil sogenannter „High-Risk-Assets“ von 17 auf 24 Prozent gestiegen, während der Anteil klassischer US-Staatsanleihen und vergleichbar sicherer Anlagen rückläufig ist.
Tether, “The Stable Company” just saw S&P cut its assessment rating from 4 to 5 - the lowest rating possible - citing persistent gaps in disclosure and high risk assets being held in its reserves.
Only in crypto would the bedrock stablecoin of crypto trading be viewed as so… pic.twitter.com/fYIplOCMS6
— Novacula Occami (@OccamiCrypto) November 26, 2025
Zusätzlich kritisiert S&P die mangelhafte Transparenz von Tether. Weder werden die genauen Verwahrer der Vermögenswerte genannt, noch gibt es Klarheit über Bankpartner oder Gegenparteien. Auch die detaillierte Zusammensetzung einiger Positionen bleibt unklar. Für eine Struktur, die als Grundlage eines globalen Zahlungs- und Handelssystems fungiert, ist diese Intransparenz ein erheblicher Schwachpunkt.
Regulatorische Schwächen und der Sonderweg El Salvador
Tether ist 2025 nach El Salvador gezogen und untersteht dort der National Commission of Digital Assets. Zwar existieren regulatorische Vorgaben zur Mindestdeckung, doch diese fallen deutlich moderater aus als etwa in der EU oder in den USA. So sind riskantere Vermögenswerte wie Bitcoin, Gold oder Kredite explizit als Reservebestandteile erlaubt. Auch eine strikte Trennung der Stablecoin-Reserven vom übrigen Unternehmensvermögen ist nicht vorgeschrieben.
Im Vergleich dazu verlangen neue US-Regelungen – etwa im Rahmen des sogenannten GENIUS-Acts – eine nahezu vollständige Deckung durch hochliquide, sichere Vermögenswerte wie kurzlaufende US-Staatsanleihen oder Geldmarktfonds. Vor diesem Hintergrund erscheint Tethers regulatorisches Umfeld eher locker und trägt laut S&P nicht zur gewünschten langfristigen Stabilität bei.
Tether zwischen Kontrolle, Dominanz und wachsendem Wettbewerb
USDT wird heute fast ausschließlich auf Ethereum und Tron ausgegeben, die zusammen über 95 Prozent des Umlaufs abdecken. Der Smart Contract ist nicht Open Source, und Tether verfügt über weitreichende Kontrollmöglichkeiten wie das Einfrieren von Wallets, das Pausieren von Transaktionen oder das Verbrennen von Token. Diese Funktionen unterstützen zwar die Durchsetzung von Compliance, unterstreichen jedoch den stark zentralisierten Charakter von USDT und stehen im Spannungsfeld zum ursprünglichen DeFi-Gedanken.
Trotz dieser Kritik bleibt Tether mit einer Marktkapitalisierung von über 180 Milliarden US-Dollar klarer Marktführer und fungiert insbesondere in Schwellenländern als digitales Dollar-Äquivalent. Gleichzeitig gewinnen regulierungsnahe Alternativen wie USDC an Boden, wodurch sich das Kräfteverhältnis im Stablecoin-Sektor langfristig verschieben könnte.
Ein Warnsignal, aber (noch) keine akute Gefahr
Die Bewertung von S&P ist mehr als nur eine Randnotiz. Sie macht deutlich, dass Tether sich mit seiner aktuellen Strategie in eine gefährlichere Zone bewegt – insbesondere durch die zunehmende Verknüpfung mit volatilen Märkten wie Bitcoin. Das Risiko liegt weniger im aktuellen Zustand als in der wachsenden Abhängigkeit von Faktoren, die sich einer direkten Kontrolle entziehen.
Kurzfristig gibt es jedoch keine akuten Anzeichen für einen Bruch der 1:1-Kopplung. Tether hat in der Vergangenheit schwere Krisen überstanden und verfügt weiterhin über eine starke Marktstellung. Langfristig wird entscheidend sein, ob das Unternehmen bereit ist, Transparenz zu erhöhen, Risiken zu reduzieren und sich strengeren Regulatorien anzupassen – oder ob es weiter auf Marktvertrauen statt struktureller Sicherheit setzt.
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