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Nigeria reguliert Kryptowährungen – und wird zum afrikanischen Krypto-Hotspot

source-logo  bitcoinblog.de 22 September 2020 11:20, UTC

Nigeria reguliert Kryptowährungen. Was in Europa, Nordamerika und den meisten Teilen Asiens längst geschehen ist, kommt nun auch auf dem afrikanischen Kontinent an. Nirgendwo sonst erfüllen Bitcoin und andere Kryptowährungen eine so wichtige ökonomische Funktion. Das unterstreicht eine neue Analyse.

Dass die Finanzaufsicht SEC in Nigeria als eine der ersten in Afrika beginnt, Bitcoin und andere Kryptowährungen zu regulieren, liegt nahe. Schließlich ist Nigeria das bevölkerungsreichste Land Afrikas, die größte Volkswirtschaft des Kontinents und dessen „Krypto-Hotspot“. Wenn man bei Google Trends danach fragt, wo weltweit am meisten nach Bitcoin gesucht wird, ist Nigeria mit Abstand auf dem ersten Platz – übrigens gefolgt von Südafrika.

Google Trends für das Suchwort „Bitcoin“. Afrika südlich der Sahara und die nördliche Alpengegend scheinen besonders interessiert.

Die SEC des Landes hat nun eine bisher noch eher unklare Regulierung vorgestellt. Dabei kündigt sie vor allem an, dass „Herausgeber oder Sponsoren von virtuellen Assets“ durch die Kommission reguliert werden sollen. Voraussetzung dafür soll aber sein, dass die SEC das Asset als „Security“ ansieht, ein englischsprachiger Begriff, der als „Wertpapier“ nur unzureichend ins Deutsche übersetzt wird. Dabei jedoch betont die SEC, dass jedes virtuelle Asset als Security gelten wird, solange deren Herausgeber nicht das Gegenteil beweisen, etwa indem sie darlegen, dass das Asset einen konkreten Nutzen erfüllt.

Gleichzeitig meint die SEC, dass sie „Krypto-Assets“ als Commodities, also Waren oder Rohstoffe, betrachtet, wenn diese auf einer regulierten Börse gehandelt werden. Bitcoin und andere Kryptowährungen werden damit zur Commodity.

Auch wenn noch kaum etwas darüber bekannt ist, wie scharf die Regulierung greifen wird, sind einige Beobachter optimistisch, dass eine vorsichtige Regulierung dabei helfen wird, die für viele Investoren notwendige Rechtssicherheit zu schaffen.

Ein löchriges Bankensystem und eine schwächelnde Währung

Wie kaum ein anderes Land verdeutlicht Nigeria, dass Kryptowährungen mittlerweile auch in Afrika angekommen sind. Das Land bringt wie erwähnt die höchste Dichte an Google-Suchanfragen auf; die Analysefirma Chainalysis verleiht ihm den achten Rang in ihrem „Global Crypto Adoption Index“, nach Südafrika und Kenia. Diese drei Länder bilden offenbar die wichtigsten Krypto-Standorte des Kontinents, wobei Nigeria als größte Volkswirtschaft naturgemäß die höchste Bedeutung genießt.

Tatsächlich erfüllen Bitcoin und andere Kryptowährungen in einem Land wie Nigeria bestimmte Funktionen, die in Europe nur selten ähnlich relevant sind. So ist die finanzielle Infrastruktur in dem Land zum Teil löchrig, und die Regulierer haben scharfe Auflagen erlassen, wie die Bürger ihr Geld ausgeben können. Ray Youssef von der P2P-Börse Paxful meint dazu, dass viele Menschen in Afrika schon Geld hätten – es aber nicht benutzen könnten. Sofern die Bürger Zugriff auf ein Bankensystem haben, ist dieses oft vom Rest der Welt abgeschnitten, wodurch es nahezu unmöglich wird, Geld ins Ausland zu versenden. Selbst wenn man es nur ins Nachbarland schicken möchte, muss man mehrere Sprünge machen, die oft einen Wechsel in Dollar auf dem Schwarzmarkt, hohe Gebühren und lange Wartezeiten beinhalten.

Ein weiteres Problem von Nigerias Finanzsystem ist die eigene Währung, der Naira. Er hat im Lauf der letzten zehn Jahre ohnehin stark an Wert im Vergleich mit dem Dollar verloren und Berichten zufolge allein 2020 gut 35 Prozent abgegeben. Da die Regierung die Wechselkurse fixiert, aber der tatsächliche Preis oft auf dem Schwarzmarkt ausgehandelt wird, ist der tatsächliche Wert des Naira schwer zu bestimmen. So berechnen Finanzen.net und Google für einen Dollar 382 Naira, aber eine Kalkulation der Schwarzmarktpreise kalkuliert 465 Naira.

Die Wechselkursbindung geht mit den üblichen Problemen einher, die mit dem Schwarzmarkt anfangen und mit Preisbindungen und Kapitalkontrollen enden. Mittlerweile gehen manche Banken schon so weit, ihren Kunden nur noch zu erlauben, maximal 100 Dollar auszugeben, was für viele Nigerianer, vor allem Geschäftsleute, erhebliche Probleme nach sich zieht. Ob die Banken dabei auf eine verschärfte Regulierung reagieren, oder ob die Regel gar einen Dollarmangel ausdrückt, ist mir nicht bekannt.

Die wirtschaftliche Situation Nigerias war schon Mitte 2017 ungünstig, wie beschrieben lähmten der Verfall des Erdölpreises, die Inflation des Naira sowie die Preisbindung und Kapitalkontrollen die Wirtschaft. An dieser Situation hat sich seitdem offenbar nichts geändert; vielmehr dürfte das wirtschaftlich verheerende Jahr 2020 die Lage noch verschärft haben. Zumindest die Weltbank fürchtet, dass Nigeria in die „schlimmste Rezession seit vier Jahrzehnten“ schlittert.

Bitcoins und andere Kryptowährungen werden unter diesen Umständen für Einwohner Nigerias sowohl ein wichtiger Wertspeicher als auch ein Instrument, um Geld ins Ausland zu senden – oder Geld aus dem Ausland zu empfangen. Der Bericht von Chainalysis über Bitcoin in Afrika bestätigt dies.

Bitcoin als Einheitswährung Afrikas?

Zwar sei Afrika die Region mit der kleinsten Kryptowährungs-Wirtschaft, so die Analysefirma. Der Kontinent empfange und versende im Jahr durch onchain-Transaktionen gut 8 Milliarden Dollar. Doch diese relativ kleinen Beträge „schaffen einen lebensverändernden Nutzen in der Region“, indem sie „Rücküberweisungen zu geringen Gebühren und ein alternative Methode des Sparens“ ermöglichen.

In keiner Region der Welt ist unter Krypto-Nutzern der Anteil von Kleinhändlern und Privatnutzern so hoch wie in Afrika. Einen großen Teil davon macht, so Chainalysis, der sogenannte Remittance aus, was die Überweisungen von Gastarbeitern im Ausland an ihre Familien zuhause meint. Die Länder südlich der Sahara – zu denen auch Nigeria gehört – stellen 25 Millionen Gastarbeiter in anderen Ländern, die 2019 rund 48 Milliarden Dollar in die Region geschickt haben.

Die Analysen von Chainalysis zeigen, dass rund 562 Millionen Dollar in Kryptowährungen „aus Übersee nach Afrika gesendet wurden in der Größe privater Zahlungen“. Zwar dürfte nicht jede dieser Zahlungen eine Überweisung von Gastarbeitern darstellen, „doch Regionen mit einer hohen Konzentration an Migranten aus Afrika, etwa Nordamerika, Westeuropa und Ostasien, sind stark vertreten.“ Beides zusammen – Herkunft und Volumen der Zahlungen – könnte einen starken Hinweis abgegen, dass Kryptowährungen für den Remittance verwendet werden.

Grafik aus dem Bericht von Chainalysis. Bitcoins aus illegalen Quellen spielen auch für Afrika eine unbedeutende Rolle.

Ebeneso wichtig seien jedoch auch die Überweisungen zwischen afrikanischen Ländern. Dass hohe Gebühren und lange Umwege diese Zahlungen erschweren, dürfte ein großes Hindernis der Integration afrikanischer Volkswirtschaften sein – und mit ein Grund für den alten, bisher unerfüllten Traum einer afrikanischen Einheitswährung. Der CEO von Paxful kennt einige Beispiele für Afrikaner, die Bitcoins benutzen, um Geld zwischen afrikanischen Ländern zu bewegen, beispielsweise von Südafrika nach Nigeria oder von Kenia nach Malawi. Bitcoin und andere Kryptowährungen könnten in dieser Gegend der Welt mehr als irgendwo anders einen nachhaltigen, positiven ökonomischem Effekt auslösen – nämlich den, die Hürden niederzureissen, die eine ökonomische Integration Afrikas verhindern.

Daneben ebnen Kryptowährungen auch den Weg zwischen Afrika und anderen Weltgegenden wie etwa dem auf dem Kontinent immer stärker präsente China. So unterhalten viele Unternehmer Nigerias Geschäftskontakte nach China, haben aber oft Probleme, Geld direkt nach China zu überweisen, weshalb sie etwa Naira auf dem Schwarzmarkt gegen Dollar tauschen und diese über Hongkong nach China senden müssen. Mit Kryptowährungen sind solche Zahlungen sehr viel einfacher, günstiger und schneller. Die chinesische Investorin Dovey Wan fügt für Chainalysis hinzu, dass oft chinesische Bürger, die in Afrika arbeiten, Kryptowährungen nutzen, um Geld zurück nach China zu führen.

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