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Bombendrohungen auf Bahnhöfe und eine Mine in einem ehemaligen Aluminiumwerk

source-logo  bitcoinblog.de 07 November 2019 16:00, UTC

Bunte Nachrichten aus Russland: Ein Berater der russischen Regierung baut in einem ehemaligen Aluminiumwerk nahe der Grenze zu Finnland eine Krypto-Mine auf, die in Zukunft 20 Prozent aller neu entstehenden Bitcoins abschöpfen soll. Derweil verbreitet ein Erpresser mit einer Bombendrohung auf Bahnhöfe in St. Petersburg Terror. Als Lösegeld will er, natürlich, Bitcoins. Und schließlich diskutiert das Innenministerium darüber, wie man Kryptowährungen beschlagnahmen kann.

Am 2. November erhielt ein Bahnhof der Russischen Eisenbahn in St. Petersburg eine anonyme E-Mail mit einer fürchterlichen Drohung: Der Absender kündigte an, ab dem 5. November mithilfe eines Quadrocopters Bahnhöfe und Stationen in die Luft zu jagen – es sei denn, der Bahnhof bezahle ein Schutzgeld von 50 Bitcoin, was ungefähr 30 Millionen Rubel oder 410.000 Euro entspricht. Die Eisenbahner gaben den Brief sofort an die St. Petersburger Polizei weiter. Diese haben fünf Bahnhöfe und 180 Stationen überprüft, dabei aber nichts verdächtiges entdeckt und daher auch keine Evakuierung veranlasst.

Heute ist der 7. November, und es gibt keine Nachrichten von explodierten Eisenbahnstationen in St. Petersburg. Falls die Eisenbahn nicht bezahlt hat, dürfte es sich um eine leere Drohung gehandelt haben. Den Sender sucht die Polizei von St. Petersburg natürlich dennoch. Die E-Mail stammte “von einer echten Adresse in Rostow am Don”, die einem Telekommunikationsunternehmen gehört, eventuell, so der Artikel, wurde die Adresse gehackt. Falls der Sender keinen schwerwiegenden Fehler gemacht hat, dürfte es aber kaum möglich sein, ihn aufzuspüren.

Digitale Drohungen sind in den meisten Fällen weitgehend risikofrei, während es eine (kleine) Chance gibt, dass der andere bezahlt. Weil die Balance von Risiko und Ertrag günstig ist, sind solche Erpressungsversuche im heutigen Internet recht häufig. Es gab mal eine Welle der Morddrohungen, bei denen ein angeblicher Killer willkürlich Leute anschrieb und behauptete, er werde bezahlt, um sie zu ermorden; nur wenn das Opfer mehr bezahle als der Auftraggeber, bleibe es am Leben. Derzeit geht vor allem die Sextortion herum, Mails, die behaupten, den Empfänger bei schmutzigem Pornokonsum gefilmt zu haben, und verlangen, dass ein Schweigegeld in Bitcoin bezahlt wird. Auch Lebensmittelvergiftungen und Paketbomben an einem Weihnachtsmarkt gab es schon, beides in Deutschland.

Der Fall aus St. Petersburg ist an sich nichts neues. Die Drohung ist nur noch ein bißchen krasser.

Das Problem mit der fehlenden Legalisierung

Zur selben Zeit gibt es in Russland weitere interessante Entwicklungen. Das Innenministerium plant derzeit, Mechanismen einzuführen, um Kryptowährungen beschlagnahmen zu können. Dies sei notwendig, da es eine stetige Zunahme von Straftaten mit virtuellen Assets gebe, etwa die Lösegeldforderungen von Hackern, die sich in Systeme von Unternehmen einschleichen.

Bislang sei es aus mehreren Gründen problematisch, Kryptowährungen zu beschlagnahmen. Zum einen, weil sie in Russland juristisch in einer Grauzone sind. Sie sind weder als Ware noch als Bargeldäquivalent anerkannt. Eine solche Anerkennung wäre notwendig, um Beschlagnahmungen rechtlich durchzusetzen, wird aber offenbar durch die russische Zentralbank verhindert. Auch technisch ist es eine Herausforderung. Bitcoins und andere digitale Münzen und Token werden oft auf einer eigenen Wallet gespeichert, für die nur der Besitzer die Schlüssel hat. Eine Beschlagnahmung ist nur möglich, wenn es einen physischen Zugriff auf die Person gibt. Liegen die Coins dagegen auf einer Börse, können die Behörden eine Anfrage an sie senden, Konten zu sperren. Dies ist aber nur wirksam, wenn die Börse die russische Gerichtsbarkeit anerkennt. Börsen, etwa aus Singapur, können die Anfrage ignorieren. Auch hier rächt sich die regulatorische Unsicherheit – es gibt so gut wie keine große Börse in Russland.

Mit diesen Fragen werden sich das Innenministerium und andere Behörden die kommenden Jahre über beschäftigen. Es herrscht offenbar keine Eile, erst bis zum 31. Dezember 2021 sollen konkrete Vorschläge gemeinsam mit dem Justizministerium, dem FSB, der Generalstaatsanwaltschaft und anderen hohen Organen ausgearbeitet werden.

Mit überschüssigem Strom Bitcoins minen

Eiliger hat es der russische Staat hingegen, selbst zu einem Akteur im Bitcoin-Markt zu werden. Dmitrij Marinichew, der Ombudsmann des russischen Internets und ein Technologieberater von Wladimir Putin, baut ein ehemaliges Aluminiumwerk in Karelien, an der Grenze zu Finnland, zu einer gewaltigen Krypto-Mine um. Ausführende Kraft des Projekts ist das das “russische Mining-Unternehmen” RMC, das von Marinichew mitgegründet wurde.

RMC ist interessant. Das Unternehmen gibt einen Russian Miner Coin (RMC) heraus, mit dem man mit Bitcoin und Ether in russische Miner investieren kann. Die ICO von RMC endete am 27. September nach mehr als zweijähriger Laufzeit und brachte RMC 43 Millionen Dollar ein. Die Firma stellt eigene Asic-Miner her und hat zunächst in einer ehemaligen Moskauer Fahrzeugfabrik gemined, was aber wegen der relativ hohen Moskauer Strompreise unprofitabel wurde, als die Preise für Kryptowährungen fielen.

Nun soll die nächste Mine in der ehemaligen Aluminiumschmelze entstehen. Das Kraftwerk musste schließen, so der Artikel von RBC.ru, weil Sanktionen es unmöglich gemacht hatten, die Produkte in der USA abzusetzen. In unumittelbarer Nähe zum nun eingemotteten Aluminiumwerk befindet sich aber ein Kraftwerk, das seitdem einen erheblichen Übrschuss produziert. Dieser soll bald in das Mining von Kryptowährungen fließen. Während Marinichew einen Anteil von 20 Prozent des globalen Bitcoin-Minings anvisiert, gibt Yuri Pripachkin, der Präsident der Russischen Vereinigung für Kryptoökonomie und Blockchain, vorsichtigere Prognosen: Er meint, dass 5-7 Prozent eher realistisch wären.

Kann man die RMC-Mine als ein russisches Staatsprojekt betrachten? Vermutlich ist sie eher eine privatwirtschaftliche Initiative von Dimitrij Marinichew, für die es sicherlich hilfreich war, dass dieser auch gute Beziehungen in die hohe Politik hat. Dennoch wird die Mine in enger Verbindung zur russischen Regierung operieren werden. Wie schon China versucht Russland, sehr viel offensicher als etwa die EU, einen Anteil an den sich bildenden Krypto-Märkten zu erlangen.

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