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„Wenn die Protokolle, die P2P-Transaktionen ermöglichen, zur vollen Reife gelangen, würde dies eine Zukunft andeuten, in der es keine finanziellen Mittelsmänner mehr gibt“

source-logo  bitcoinblog.de 30 März 2021 13:00, UTC

Die Möglichkeit, die Schlüssel für Bitcoins selbst zu verwalten, ist die heilige Kuh von Bitcoin. Geht es nach der Financial Action Task Force (FATF), sollen die Regierungen dieser Welt diese Kuh so bald wie möglich schlachten. Selten hat ein internationales Organ so deutlich sein anti-demokratisches Gesicht gezeigt.

Die vielleicht phantastischste Eigenschaft von Bitcoin, diesem in so vieler Hinsicht phantastischen Geld, ist die Wallet: Eine Software, die es ihren Usern erlaubt, vollkommen selbständig die privaten Schlüssel für Bitcoins zu verwalten. Mit einer Wallet können User ohne die Hilfe eines Mittelsmannes elektronisches Geld empfangen, verwahren und versenden.

Eine Wallet verkörpert den zivilisatorischen Fortschritt durch Bitcoin – eine Unabhängigkeit, die vorher schlicht unmöglich war. Wer elektronisches Geld benutzen wollte, musste sich in die Abhängigkeit eines Mittelsmannes begeben, etwa einer Bank.

Zu den Organen, die die Unabhängigkeit der Nutzer nur zähneknirschend wahrnehmen können, gehört auch die Financial Action Task Force (FATF). Dieser den G20 nahestehende Rat verschreibt sich dem Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, indem er Vorschläge ausarbeitet, wie nationale Regierungen die Geldströme kontrollieren sollen. Die FAFT-Empfehlungen sind nur dem Namen nach freiwillig; hinter ihnen steht der Druck durch die G20 sowie eine schwarze Liste, die Geldwäsche-Sündern den Nimbus eines Schurkenstaates verleiht.

Die FATF beschäftigt sich schon länger mit Kryptowährungen und hat bereits Vorschläge für Regierungen zum Umgang mit diesen veröffentlicht. Die darunter befindliche „Travel-Rule“ beschäftigt weiterhin die Branche und auch Regulierer, da sie denkbar schwierig umzusetzen ist. Doch noch bevor diese Nuss verdaut ist, wirft die FATF die nächste hinterher.

Das zwischenstaatliche Organ hat am 19. März seine Vorschläge für die Regulierung von „Virtual Asset Service Providers“ aktualisiert. Eine Übersicht über die wichtigsten Änderungen fasst der Blockchain-Analyst CipherTrace auf seinem Blog zu sammen.

Kein Freifahrtschein für DeFis und NFTs

Zunächst erweitert die FATF ihre Definition von „Virtual Assets“ (VA) und den zugehörigen „Virtual Asset Service Providers“ (VASP), was die deutsche Rechtsprechung vermutlich als Krypto-Verwahrer übersetzt.

Beispielsweise ist eine dezentrale Anwendung (DApp) an sich kein VASP, da die Standards nicht auf Software oder Technologie anzulegen sind – doch Personen, Unternehmen oder andere Entitäten, die als Besitzer oder Betreiber einer DApp fungieren, gelten sehr wohl als solche. Für DeFis wie UniSwap, SushiSwap, Compound oder PancakeSwap könnte dies zu einem bösen Erwachen führen – stehen doch hinter den DApps Entwickler-Teams, die auch schon Wagniskapital erhalten haben.

Ebenfalls ins Visier der FATF gelangen Non-Fungible-Token (NFT), wie sie beispielsweise im Kunstmarkt oder bei Sammelkartenspielen bereits zum Einsatz kommen. Diese sind zwar auf den ersten Blick keine VAs, doch wenn es möglich ist, dass sie durch Zweitmärkte genutzt werden, um Terror zu finanzieren oder Geld zu waschen, sollen sie dennoch als VAs gelten. Prinzipiell trifft dies auf jedes NFT zu, das auf öffentlichen Marktplätzen gehandelt wird.

Erschreckender dürfte für die Benutzer von Kryptowährungen aber eine weitere Aktualisierung der FATF sein.

P2P-Transaktionen als Verdachtsfall

„Peer-to-Peer-Transaktionen“ sind für die FATF Transaktionen, die virtuelle Assets transferieren „ohne dass ein VASP oder eine andere verpflichtete Entität involiert ist“: Transaktionen also, die zwischen Parteien stattfinden, die Regierungen nicht regulieren. Beispielsweise gewöhnliche Bürger, die Bitcoin so nutzen, wie es vorgesehen wurde: Als ein P2P-Netzwerk, bei dem eine Partei der anderen Geld senden kann, ohne dafür einen Zwischenmann zu benötigen. Genau darum geht es ja!

Solche P2P-Transaktionen, meint die FATF nun, „können ein erhöhtes Risiko der Geldwäsche / Terrorfinanzierung in sich tragen, da sie genutzt werden können, um Maßnahmen gegen Geldwäsche / Terrorfinanzierung zu unterlaufen, welche die FATF-Empfehlungen den VASPs und anderen regulierten Entitäten auferlegt.“ Das Organ hat offenbar erkannt, dass ganz normale Bitcoin-Transaktionen durch Wallets das Potenzial tragen, die FATF selbst überflüssig zu machen:

„Wenn P2P-Transaktionen eine breite Anwendung finden und als Mittel von Zahlungen oder Investments ohne einen VASP genutzt werden, würde die Anzahl von Transaktionen steigen, die keinen Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung unterliegen, was möglicherweise zu systemischen Schwächen in einigen Jurisdiktionen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung führen kann. Mehr noch: Wenn die Protokolle, die P2P-Transaktionen ermöglichen, zur vollen Reife gelangen, würde dies eine Zukunft andeuten, in der es keine finanziellen Mittelsmänner mehr gibt, was potenziell die Effektivität der FATF-Empfehlungen beeinträchtigt.“

die FATF

Da nicht sein kann, was nicht sein darf, sollen P2P-Transaktionen laut der FATF als „Hochrisiko-Fall“ angesehen werden. Dasselbe trifft auf Transaktionen zu, deren Coins zu einem früheren Zeitpunkt in P2P-Transaktionen verwickelt waren. Nicht nur das Nutzen einer eigenen Wallet konstitutiert einen Verdachtsfall für Geldwäsche, sondern schon alleine der Kontakt dazu. Immerhin legt die FATF nahe, dass diese Risiken durch Blockchain-Analysen gemindert werden können, wenn diese P2P-Transaktionen transparenter machen.

Nichtsdestoweniger fordert das Organ die Regierungen auf, genau zu prüfen, ob VASPs, die sie genehmigen, solche P2P-Transaktionen erlauben. Falls ja, sollen die Regierung Maßnahmen ergreifen, um die Risiken zu kontrollieren. So schlägt die FATF etwa vor, dass VASPs, die P2P-Transktionen zulassen, keine Erlaubnis erhalten oder strenger reguliert werden sollen, etwa durch verschärfte Anti-Geldwäsche-Auflagen.

Frei von demokratischen Begrenzungen

Die FATF dürfte mit diesem Update zumindest in einigen Ländern offene Türen einrennen. So hat etwa im Dezember 2020 die US-Finanzaufsicht FinCEN den Vorschlag gemacht, dass „unhosted Wallets“ einen Geldwäscheverdacht konstituieren.

Die identische Wortwahl von FinCEN und FATF („unhosted Wallet“) zeigt, dass die Regierungen und zwischenstaatlichen Organe bereits seit einiger Zeit über die Gefahren von P2P-Transaktionen reden.

Der Vorstoß der FinCEN hat einen heftigen Aufschrei des Ökosystems ausgelöst. Unter anderem klagt Twitter-CEO Jack Dorsey, er schade der finanziellen Unabhängigkeit der Menschen, hemme die Innovationskraft amerikanischer Unternehmen und reduziere die Fähigkeit der FinCEN, das Finanzsystem zu schützen. Ähnlich äußern sich andere Industrievertreter, darunter sogar der Blockchain-Analyst Chainalysis.

Formal ist die FinCEN dazu verpflichtet, die Bedenken der Industrie zu vernehmen und zu berücksichtigen, bevor sie den Vorschlag zu einer Regel macht. Als zwischenstaatliches Organ unterliegt die FATF keinen solchen demokratischen Fesseln. Sie kann in völliger Willkür ihre Regeln schreiben, die zwar „Empfehlungen“ genannt werden, aber aufgrund des Druckes dahinter sehr wohl verbindlich sind. Sie werden nicht sofort umgesetzt, sickern aber als Hausaufgabe und Rechtfertigung unvermeidbar im Lauf einiger Jahre in die nationalen Regulierungs-Regimes ein.

Damit nimmt der Kampf um die unabhängigen Bitcoin-Wallets seinen Anfang. Und bei diesem Kampf geht es ums Ganze – um die Essenz von Bitcoin und der Autonomie über elektronisches Geld. Wenn die Bitcoin-Szene diesen Kampf verliert, wird sie auch Bitcoin verloren haben.

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