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Was genau meint Ethereum 2.0? Das wichtigste, was ihr wissen müsst

source-logo  bitcoinblog.de 21 Januar 2020 14:20, UTC

Ethereum 2.0 – oder ETH2 – ist ein häufig benutzter Begriff. Er gilt als entscheidend für die Zukunft der zweitgrößten Blockchain. Was er aber genau meint ist nicht so leicht in klare Worte zu fassen. Wir versuchen es dennoch.

Es dürfte kaum eine Blockchain geben, auf der so viel passiert wie auf Ethereum. Die Heimat der überwältigenden Mehrheit an Token und Smart Contracts, die Blockchain, die auf Entwickler und Unternehmen die größte Anziehungskraft ausübt. Allerdings hat Ethereum offiziell noch nicht seine wahre, bestimmungsgemäße Gestalt. Dies soll sie mit dem Schritt zu „Serenity“ (dt.: Weisheit) erreichen.

Eigentlich war der Übergang zu Serenity durch eine einfache Hardfork geplant. Da es doch – wesentlich – komplizierter ist, als anfangs erwartet, wird diese Transformation nun in einem langwierigen Prozess ablaufen. Der Begriff „Ethereum 2.0“ beschreibt sowohl das Ziel als auch den Weg dorthin. Man liest das Wort in vielen Kryptomedien, und es gibt Dutzende, vermutlich sogar Hunderte Artikel dazu. Die meisten davon sind aber entweder zu simpel und generell oder zu technisch und detailliert.

Um zu verstehen, was ETH2 bedeutet, haben mir vor allem drei Texte geholfen: Die deutsche Übersetzung der Ethereum 2.0 Roadmap auf ethhub.io, ferber Ethereum 2.0 for Dummies, geschrieben von Chromatic Capital, einem Investmentfonds aus San Francisco, sowie die  offiziellen Design Notes von Ethereum 2.0. Alle Artikel sind sehr aktuell. Auf Eth2.info gibt es zudem eine sehr lange Übersicht über Links zum Thema, die jeden Detailhunger befriedigen werden.

Warum ETH 2.0?

Ethereum, wie es heute ist, ist langsam, erklärt Chromatic Capital. Die Blockchain schafft gerade mal 15 Transaktionen je Sekunde, „und jede komplexe Anwendung, die hochskaliert, wird extrem teuer.“ Visa dagegen stemme Tausende von Transaktionen je Sekunde. Ethereum ist deswegen so langsam, weil es dezentral ist und dezentral bleiben muss.

Man könnte auf Supernodes setzen, darauf, dass die „Konsens-Knoten“, so die Design-Notes, „ausreichend starke Server haben, um jede einzelne Transaktion zu prozessieren.“ Das wäre die einfache Lösung. Die Blockchain könnte so bleiben, wie sie ist, und man müsste lediglich die Prozesse der Clients stärker parallelisieren.

Die Ethereum-Entwickler schlagen diese Möglichkeit allerdings aus, vor allem aus Sorge darum, dass es die Dezentralität und die Zensurresistenz beeinträchtigt. Wir kennen dieses Argument: Das gute alte Blockchain-Trilemma aus Dezentralität, Skalierbarkeit und Sicherheit. Es wurde zur Grundlage aller „Second-Generation-Blockchain“-Projekte, beispielsweise auch IOTA, die behaupten, dieses Trilemma lösen zu können. Die meisten dieser Ansätze, so auch ETH2, ersetzen das Mining durch einen anderen Konsens-Mechanismus.

Das alte Design von Ethereum gilt damit mehr oder weniger als gescheitert. ETH2 ist deswegen, so Chromatic Capital, „ein vollkommen anderes Projekt, mit einem Zero-to-one-Paradigma, wie Blockchains sklaieren.“ ETH2 ist nicht nur ein Upgrade – es erfindet Blockchain neu. Es soll Ethereum sicherer machen, auf tausende von Transaktionen skalieren, die Programmierbarkeit verbessern – und all das ohne die Dezentralität zu beeinträchtigen.

Wie löst ETH2 das Problem?

ETH2 soll das klassiche Blockchain-Trilemma durch vor allem drei Errungenschaften lösen: Sharding, Proof of Stake und eine neue virtuelle Maschine.

Was bedeutet das?

Sharding ist eine Methode, um Datenbanken auf mehrere Server aufzuteilen, sie also zu partitionieren. So wie ein Computer auf einer Festplatte mehrere Partitionen hat, aber doch dieselbe Festplatte bleibt, soll die Blockchain in mehrere Teile gespalten werden, ohne dabei ihre Kohärenz zu verlieren. Dabei soll die Sicherheit eines „Splitters“ („Shard“) ebenso hoch sein wie die des gesamten Systems.

Proof of Stake bedeutet, dass es keine Miner mehr gibt, die durch den Einsatz von Energie Blöcke bilden. Sie werden ersetzt durch Staker: Knoten, die beweisen, einen bestimmten Betrag ETH zu besitzen. Dies ist nicht nur stromsparender, sondern soll auch die schnellere Finalisierung einer Transaktion sowie eine größere Dezentralisierung der Validatoren-Landschaft gewährleisten. Die Ethereum-Entwickler arbeiten schon seit Jahren an einem Konsens-Verfahren, das Transaktionen rasch und endgültig finalisiert und gewährleistet, dass sich die Staker an die Regeln halten. Mit Proof of Stake sollen Ethereum-Transaktionen nach Sekunden finalisiert sein, während die Blockchain resistent gegen 51-Prozent-Angriffe ist.

Die neue virtuelle Maschine schließlich soll es ermöglichen, dass Entwickler ihre eigene Ausführungsumgebung schaffen. Dies erlaubt es, die Regeln anderer Blockchains, zum Beispiel BTC oder Zcash, auf einer Shard einzuführen. Ethereum soll dadurch zu einem universellen Konstrukt verschiedener Blockchains werden.

Die drei Ziele sind jeweils für sich ein ziemlicher Brocken. Es gibt bisher noch überhaupt kein funktionales Sharding von Blockchains, während sich viele kluge Köpfe darüber streiten, ob Proof of Stake tatsächlich funktioniert. Die Ethereum-Entwickler nehmen sich damit vor, mehrere Herausforderungen der Blockchain-Entwicklung zu lösen und damit eine Architektur zu schaffen, die die Kern-Beschränkungen und -Tradeoffs der Blockchain-Entwicklung hinter sich lässt.

Phase 0: Die Beacon-Chain

Das Zentrum von ETH2 wird die Beacon-Chain sein. Diese neu zu schaffende Blockchain kann zunächst bis zu 64 Shard-Chains koordinieren. Chromatic Capital beschreibt sie als ‚eine Art Command and Control Center‘ des gesamten ETH2-Netzwerks.

Die Beacon Chain verwaltet das „Caspar Proof of Stake“ Protokoll. Sie notiert Validatoren und deren Stakes, wählt zufällig Block-Validatoren aus und weist diesen eine zufällige Shard-Chain zu. Die Beacon Chain wendet die Konsensregeln an, exekutiert Sanktionen für unehrliche Validatoren und dient als Bindeglied zwischen den Shards.

Die Validatoren von ETH2 stimmen per Proof of Stake, also mit ihren Coins, über sogenannte „Bescheinigungen“ ab. Sobald ein Block einer Shard Chains ausreichend solche Bescheinigungen gesammelt hat, bekommt er einen sogenannten Crosslink auf der Beacon-Chain. Ab diesem Moment ist der Block „finalisiert“, was bedeutet, es ist nicht mehr möglich, ihn rückgängig zu machen. Er bietet nun dieselbe Sicherheit wie ein Block auf der Baecon-Chain, also der Hauptchain. Das Verfahren erinnert vage an den Konsens bei Ripple und dem, was IOTA plant: Die Knoten im Netzwerk stimmen in gewisser Weise über Blöcke ab.

Als Belohnung für ihre Arbeit erhalten die Validatoren ETH2. Das ist der native Coin auf der Baecon-Chain. Er soll langfristig ETH ablösen, und ohne ein fixes Limit ausgeschüttet werden, um die Sicherheit der Blockchain langfristig zu garantieren.

Die Baecon-Chain soll im zweiten oder dritten Quartal 2020 live gehen. Dies wird Phase 0 des Übergangs zu ETH0 einleiten. Es wird möglich sein, einen Baecon-Client zu betreiben und seine Ether – nun ETH1 genannt – auf die Baecon-Chain einzuzahlen, wo sie in ETH2 gewechselt werden. Dieser Weg ist eine Einbahnstraße, die ETH1 werden dadurch effektiv verbrannt.

Wenn Phase 0 erfolgreich ist, wird es also zwei Ethereum-Blockchains geben: eth1 und eth2. Für Anwender ist eth2 zu diesem Zeitpunkt noch uninteressant, da noch keine Shard-Chains an sie angeknüpft werden können.  Sie ist mehr oder weniger ein Skelett ohne Körper oder ein Basis-Gerüst ohne Haus.

Phase 1: Die Shard Chains

Vermutlich ab 2021 sollen die ersten Shard Chains live gehen. Diese Shards sollen die Daten zunächst in Rohform speichern. Sie sind nicht in der Lage, Daten nach bestimmten Konsens-Regeln zu verarbeiten oder auch nur Kontostände von Usern oder Adressen anzuzeigen. Sie dienen lediglich als Labor, um die Shard-Architektur zu testen, können aber vermutlich auch genutzt werden, um als Datenspeicher DApps zu helfen, besser zu skalieren.

Der Fokus von Phase 1 liegt auf der Arbeit der Baecon-Chain: Diese beginnt nun, die Zustände der Shards durch Cross-Links zu referenzieren und damit zu finalisieren. Man kann sie sich nun als eine Blockchain vorstellen, an der sich andere – bisher noch funktionslose – Chains fortlaufend einhängen, während sie um sie herum rotieren.

Viel mehr ist über diese Phase wohl nicht zu sagen. Es wird bis hierhin hunderte oder tausende von Details geben, von Diskussionen, kleinen und großen Updates, um Ethereum an diesen Punkt zu bringen. Ein neues Proof of Stake System in Betrieb zu nehmen und eine Blockchain einzurichten, die als Kontrollzentrale für verschiedene Datenchains dient, ist eine gewaltige Herausforderung.

In dieser Phase werden die eth1 und eth2 Blockchain weiterhin parallel arbeiten. Richtig spannend wird es ab Phase 2.

Phase 2: Die Erfüllung der Vision

Die folgende Phase wird, so die Roadmap, „die wahre Vision von ETH2 erfüllen“: Die Shards werden in der Lage sein, Transaktionen zu verarbeiten. Ab dieser Phase soll das ETH2-Netzwerk auch für echte Anwendungen benutzbar werden. Im weiteren Verlauf werden auch Smart Contracts auf den Shards aktiviert. Dann greift die oben erwähnte neue Ausführungs-Umgebung, die es erlaubt, auf den Shards eigene Regeln zu aktivieren, die etwa andere Blockchains wie Bitcoin, Zcash oder ETH1 nachbilden.

Chromatic Capitals erklärt dies mit einem netten Bild: „So wie ETH1 Bitcoin abstrahiert hat, um Smart Contracts auf einer Blockchain zu realisieren, wird ETH2 ETH1 abstrahieren, um die grundlegende Natur des Blockchain-Computings neu zu definieren.“ Mit der Phase zwei „vereint sich die Funktionalität aller Chains.“ Die Shard-Chains, vormals reine Datenspeicher, werden nun zu strukturierten Ketten, die die Zustände von Smart Contracts mit einem Konsensverfahren verbinden. Entwickler können auf einer Shard ihre DApp bilden, Ethereum wird zu einem Multichain-System, das von der Baecon-Chain regiert wird.

Phase 2 wird Ende 2021 oder Anfang 2022 erwartet. Viele Teile davon, etwa die Konzeptionalisierung der Ausführungsumgebungen, befinden sich laut der Roadmap „noch immer in intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit“.

Phase 3-6

Es ist geplant, dass ETH2 in sechs Phasen ausgerollt wird. Ab Phase 3 jedoch ist, so die Roadmap, „jede Art der Vorhersage Spekulation, da sich voraussichtlich viel verändern wird.“ Irgendwann in diesen Phasen soll wohl ETH1 verdursten. Ob dies allerdings geplant passieren soll, oder ob ETH2 die alte Blockchain ersetzen soll, weil die ganzen Ether und die Anwender schrittweise migriert sind, ist wohl derzeit noch nicht beschlossen.

Im Github-Wiki von Ethereum werden die noch offenen vier Phasen auf diese Weise beschrieben:

  • Phase 3: Das Light Client State Protokol
    Die Clients werden state-minimalistisch. Dies soll wohl die Größe des States von Ethereum, den die einzelnen Nodes zu tragen haben, verringern, ohne ihn jedoch ganz aufzuheben.
  • Phase 4: Cross-Shared-Transaktions
    Ich nehme an, es meint, dass Transaktionen Shard-übergreifend funktionieren.
  • Phase 5: Enge Kopplung mit der Sicherheit der Main Chain
  • Phase 6: Super-quadratic or exponential sharding
    Es soll Shards in Shards geben, einzelne Shard Chains sollen quasi zur Beacon Chain für künftige Shards werden.

Konkretere Informationen zu diesen Phasen sind allerdings knapp, und wenn verfügbar, handelt es sich um hochabstrakte Paper oder Beiträge aus Online-Diskussionen. Die konkrete Form von ETH2 ist damit also noch längst nicht klar definiert. Es dürfte also noch eine gewisse Zeit dauern – sagen wir, 4-5 Jahre, wenn nicht noch länger – bevor Serenity vollendet ist.

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