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Lightning treibt Bitcoiner zu Treuhändern zurück

source-logo  bitcoinblog.de 31 Januar 2023 07:25, UTC

Von wegen Autonomie! Die beliebtesten Wallets fürs Lightning Netzwerk sind Treuhand-Wallets, bei denen die User gar nicht in der Lage sind, ihre Schlüssel selbst zu verwalten. Das ist kein Zufall, sondern Folge des Designs. Untergräbt Lightning damit das Versprechen von Bitcoin?

Not Your Keys, Not Your Coins – nicht deine Schlüssel, nicht deine Coins. Das ist das große Mantra in der Bitcoin-Szene: Bitcoin gibt den Menschen die Gelegenheit, die Schlüssel und damit das elektronische Geld selbst zu verwahren – und damit zum ersten Mal überhaupt auch selbst zu BESITZEN. Diese Befreiung aus der Abhängigkeit von Mittelsmännern und Treuhändern ist die große humanitäre Leistung von Bitcoin.

Dieselbe Szene, die so sehr auf die eigene Verwahrung der Schlüssel setzt, wirbt gerne für das Lightning-Netzwerk, jene Offchain-Lösung, welche Bitcoin zu einem globalen, alltäglichen Zahlungsmittel skalieren soll. Lightning kann dank einiger brillanter Mechanismen tatsächlich jene Autonomie auf eine Offchain-Schicht übertragen und damit grenzenlos skalieren – in der Theorie. In der Realität zeigt sich nun, nach bald fünf Jahren, aber eine bittere Ironie: Lightning treibt die Mehrheit der User zurück zu „Banken“ – zu treuhänderischen Mittelsmännern, die anstelle der User die Schlüssel verwahren. So wie früher bei der Bank geben Bitcoiner ihr Eigentumsrecht auf – und erhalten dafür ein Versprechen einer dritten Partei.

Dies zeigt eine Recherche, die das Bitcoinblog.de durchgeführt hat. Wir haben im Google Playstore nach Lightning-Apps gesucht und danach sortiert, welche treuhänderisch sind und welche es den Usern erlauben, ihre Schlüssel selbst zu verwalten. Der Playstore zeigt für die Apps grobe Download-Zahlen an sowie die Anzahl der Reviews. Dabei kamen wir auf dieses Ranking für die zwölf laut Playstore relevantesten Lightning-Wallets:

Name Downloads Rezensionen Treuhand
Chivo >1m 29300 ja
BlueWallet >100.000 2820 ja
Wallet of Satoshi >100.000 1305 ja
Muun >100.000 1190 nein
Bitcoin Beach Wallet >100.000 ? ja
Phoenix >10.000 389 nein*
Eclair >10.000 383 nein
Breez >10.000 ? nein
Zeus >5.000 102 nein
Zap >5.000 102 nein
Pouch >5.000 ? nein
Spark >1.000 ? nein

Natürlich sind die Zahlen etwas vage. Aber sie reichen aus, um ein grobes Ranking zu gewinnen. Die mit weitem Abstand am häufigsten heruntergeladene ist Chivo, die treuhänderische Wallet der Regierung von El Salvador. Sie wurde als einzige Wallet öfter als eine Million Mal installiert. Dies weist aber nicht zwingend auf eine ebenso häufige Nutzung hin, da viele wohl nur das Geschenk von 20 Dollar abholen wollten.

Die zweite Kategorie mit mehr als 100.000 Downloads umfasst vier Wallets: BlueWallet, Wallet of Satoshi, Muun und Bitcoin Beach. Von diesen erlaubt allein Muun, die Schlüssel selbst zu verwalten. Zwar herrscht kein Mangel an weiteren nicht-treuhänderischen Wallets. Doch sie verzeichnen alle sehr viel weniger Downloads und Rezensionen und landen in der Kategorie mit mehr als 10.000 Downloads.

Das Ergebnis ist eindeutig: Treuhänderische Wallets werden häufiger benutzt. Aber woran liegt das?

Technische Komplexität

Ein Grund könnte in der Komplexität liegen. Lightning ist komplex. Das bestätigen selbst die größten Fans. Das Whitepaper ist ungefähr 90 Seiten lang, und allein schon die Erklärung, wie man die Smart Contracts für einen Payment Channel aufbaut, ist länger als das Bitcoin-Whitepaper.

Das aber ist an sich kein Problem. Technische Komplexität war noch niemals ein Fehler. So gut wie jede Technologie ist komplex. Wenn wir uns beispielsweise ein Smartphone anschauen, haben wir so viele monströs-komplexe Elemente, von der Elektrizität und dem Prozessor über Kamera, Bildschirm und Lautsprecher zum Betriebssystem und der künstlichen Intelligenz, die in der Eingabevervollständigung steckt. Nur ein winziger Anteil der Menschheit kann all das vollständig verstehen. Wenn überhaupt.

Und doch sind Smartphones durch die Welt marschiert und erreichen Menschen aller Kontinente und aller Bildungsgrade. Denn die operative Komplexität ist extrem gering. Es ist unglaublich einfach, ein Smartphone zu bedienen. Die enorme technische Komplexität erfüllt genau diesen Zweck: Sie reduziert die operative Komplexität. Dasselbe Prinzip finden wir beim Navigationssystem, das mit einer ungeheuren technischen Komplexität – Satelliten, GPS, Bildschirm, Prozessor, Akku – die operative Komplexität des Autofahrens reduziert, und im Grunde bei jeder einzelnen Technologie, die sich auf dem Verbrauchermarkt durchsetzt.

Die Operative Komplexität bei Lightning

Das Problem bei Lightning liegt nicht in der enormen technischen Komplexität – sondern in der operativen Komplexität. Diese explodiert mit Lightning förmlich. Es erfordert eine Menge Wissen und Mühe, um seine Channels selbst zu verwalten und zu sichern und um für ausreichend Liquidität zu sorgen.

Diese operative Komplexität hat zwei Folgen: Erstens verläuft die Marktdurchdringung von Lightning schleppend. Beliebte Bitcoin- oder Kryptowallets im Playstore haben oft mehr als 5 oder auch 10 Millionen Downloads, was selbst die erfolgreichen Lightning-Apps in eine Nische verschiebt. Auch bei relevanten Börsen ist Lightning kaum vertreten, und Händler, die Lightning akzeptieren, etwa CoinCards, berichten von einem geringen Anteil von Lightning-Zahlungen, etwa zwei Prozent.

Die zweite Folge ist, dass User, wenn sie denn Lightning verwenden, selten ihre privaten Schlüssel verwalten. Das ist der Zusammenhang zwischen operativer Komplexität und der demokratisierenden Kraft einer Technologie: Um die Handlungsmacht der Individuen weitläufig zu stärken, muss eine Technologie eine bestimmte Aktion einfacher machen. Da Lightning die operative Komplexität nicht reduziert, sondern erheblich erhöht, treibt sie User bei der Verwaltung elektronischen Geldes zurück zu einem Mittelsmann wie einer Bank.

Dabei arbeiten Lightning-Treuhänder weitgehend intransparent. Keine der drei großen Treuhandwallets ist reguliert, und es gibt keine Möglichkeit, die onchain-Guthaben, also echte Bitcoins, mit den Guthaben der User zu vergleichen. Lightning-Treuhänder können problemlos mit Teilreserve arbeiten, also Papier-Bitcoins erzeugen, ohne dass jemand dies merkt.

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