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Bitcoin-Mining als Voraussetzung für eine vollständige Energiewende

source-logo  bitcoinblog.de 22 April 2021 11:40, UTC

Der Zahlungsanbieter Square stellt eine überraschende, aber dennoch plausible These auf: Bitcoin ist nicht nur nicht umweltschädlich – sondern wird grünen Energien zum Durchbruch verhelfen.

Das Thema Bitcoin und Energie – und damit Klimawandel – erregt die Gemüter weiterhin, insbesondere in Deutschland, und insbesondere vor dem Ausblick einer starken Regierungsbeteiligung der Grünen. Die generelle Sicht darauf simplifiziert das Thema in der Regel zu der emotional aufgeladenen Gleichung, dass Bitcoin viel Strom verbraucht und darum schädlich fürs Klima ist. Also böse.

Ein Beispiel aus Frankreich zeigt, dass diese vereinfachende Denke es auch in akademische Kreise schafft: Bitcoin sei „ein echtes Umweltproblem“, schlussfolgern Wissenschaftler eines technischen Forschungszentrums in Lille, da die Kryptowährung mehr Strom verbrauche als Italien oder Saudi-Arabien. Und selbst wenn Bitcoin grüne Energie verwende, sei dies „Greenwashing“ – denn die Energie könne für andere Zwecke verwendet werden.

Dieses Argument freilich ist nur eine Wiederauflauflage des alten Vorurteils, Bitcoins sei nutzlos – zumindest nutzloser als all die anderen Dinge, für die man Strom verbrauchen kann – was angesichts des Interesses des Marktes einen gewissen zentralplanererischen Größenwahn verrät. In unseren Anmerkungen zum Thema gehen wir diesen und anderen Argumenten auf den Grund.

Bitcoin-Miner als einzigartige Energiekäufer

Heute widmen wir uns einem vor kurzem erschienen Paper des US-Zahlungsdienstleisters Square. Dieses Paper postuliert nicht nur, dass Bitcoin unschädlich fürs Klima ist – sondern auch, dass die Miner die Energiewende vorantreiben. Die Autoren gehen sogar so weit, die Miner zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende zu erheben – und sie haben dafür auch noch erstaunlich gute Gründe.

Veröffentlicht wurde das Paper im Rahmen der von Square gegründeten Bitcoin Clean Energie Initiative. Es soll zum Startschuss werden, um die Vision des Unternehmens für eine Zukunft der sauberen Energiequellen zu skizzieren und Bitcoin darin einzuordnen.

Das Paper konzentriert sich darauf, die Bitcoin-Miner als „einzigartige Energiekäufer“ zu untersuchen. Einzigartig sind die Miner, da sie „einen hochflexiblen und einfach zu unterbrechenden Verbrauch schaffen, in einer globalen und liquiden Kryptowährung auszahlen, vollständig ortsagnostisch sind und nichts als eine Internetverbindung benötigen.“

Diese Eigenschaften machen die Miner zu einem „Energiekäufer der letzten Instanz“, der – und das ist am wichtigsten: von einem Augenblick auf den anderen an jedem Ort der Welt an- und abgeschaltet werden kann. Dadurch erhalten die Miner eine strategische Bedeutung für die Energiewende.

Glanz und Elend der Energiewende

Zunächst aber wirft das Paper einen Blick auf den derzeitigen Stand der Energiewende. Und an dieser Stelle gibt einige sehr gute Nachrichten.

So fielen die Entstehungskosten für Wind- und Solarstrom in der letzten Dekade um 71 bzw. 90 Prozent auf 2-5 bzw. 3-4 Cent je Kilowattstunde. Einzelne Projekte können sogar noch günstiger produzieren. Damit ist Strom aus erneuerbaren Quellen schon heute günstiger als aus fossilen Energieträgern, die wie Kohle oder Gas Stromentstehungskosten von 5-7 Cent verursachen, und erreicht teilweise eine Kostenparität mit Strom aus geothermischen oder hydroelektrischen Quellen.

Abgesehen von örtlich sehr begrenzten Energiequellen wie Staudämmen oder Geothermie sind Wind und Solar die günstigsten verfügbaren und am besten skalierbaren Stromquellen. Und sie werden, nehmen die Autoren des Papers an, noch günstiger werden.

Ein Problem bleibt jedoch: Solar- und Windenergie entsteht nicht konstant, sondern intermittierend. Das ist hinlänglich bekannt und vielseitig beklagt. In der Energiewirtschaft drückt man das Dilemma durch die sogenannte „Entenkurve“ aus: „Die Sonne scheint am Tag, aber nicht in der Nacht. Wind ist weniger vorhersehbar, tendiert aber dazu, nachts stärker zu blasen.“ Die erneuerbaren Energiequellen produzieren daher entweder zu viel oder zu wenig bis gar keinen Strom.

Der Enten-Chart aus dem Paper

„Nun erreicht die Nachfrage jedoch am späten Nachmittag oder frühen Abend ihre Spitze, wenn die Leute zuhause ankommen und ihre Geräte anschalten – zu einer Zeit, in der weder Windräder noch Photovoltaikanlagen einen Überschuss produzieren,“ erklärt das Paper. Am Ende produzieren die Erneuerbaren „an einigen Stunden am Tag signifikant mehr Strom, als die Gesellschaft benötigt, aber nicht annährend genug, wenn die Nachfrage den Höhepunkt erreicht.“ Dieselbe Problematik wiederholt sich, wenn man zeitlich etwas herauszoomt: Im Sommer scheint die Sonne mehr, im Winter weht der Wind stärker.

Verschärft wird diese Problematik noch durch eine Verstopfung der Netze. Die Netze werden regelmäßig überlastet, etwa wenn ländliche Regionen viel Sonnen- und Windstrom produzieren, aber wegen der geringen Industriedichte nicht verbrauchen können. Daher wird allein an drei Verbindungsschaltungen zwischen Stromnetzen in den USA der Ausbau der erneuerbaren Energien um 200 Gigawatt zurückgehalten, weil die Kapazität der Netze nicht ausreicht.

Die Leute wären bereit, mehr Solar- und Windkraftanlagen aufzustellen – doch der lahmende Ausbau der Stromnetze hindert sie derzeit noch daran.

Das Problem ist weniger der Mangel, sondern der Überschuss an Strom

Wenn man höhere Anteile des Strombedarfs durch grüne Energien befriedigen will, muss man ein Problem lösen, das für viele überraschend kommt: Wie geht man mit dem notwendigen Überschuss um?

Zum Teil kann man den überschüssigen Strom durch Speicher wie Lithium-Ionen-Batterien abfangen. Doch auch nachdem sie 80 Prozent im Preis gesunken sind, bleiben sie zu teuer angesichts einer begrenzten Lebensdauer. Dennoch „werden sie die wichtigste Technologie sein, um günstigen Mittagsstrom für die Verbrauchsspitzen am Abend zu speichern.“

Eine „ideale Ergänzung“ für die Stromspeicher sind die Bitcoin-Miner, da die Kombination von Speicher und Miner „insgesamt ein besseres Wertversprechen bietet als Generatoren und Speicher allein.“ Denn es wird immer Grenzen geben, wieviel Strom man physisch kosteneffektiv speichern kann, ohne zuviel durch Dissipation zu verlieren. In dieser Situation hat die Ergänzung durch Miner drei Vorteile:

Erstens erhöht sie die Renditen für Investoren und Anlagenbetreiber, wodurch Solar- und Windenergie profitabler wird. Das fördert den Ausbau natürlich immer.

Zweitens erlaubt sie, Solar- und Windanlagen zu konstruieren und anzuschalten, bevor umfangreiche Studien zur Netzauslastung und -anbindung abgeschlossen sind: Die die Miner können die überschüssige Energie verbrauchen, bis die Netze in der Lage sind, sie zu transportieren.

Drittens kann man durch Miner die Netze mit sofort verfügbarer Überschussenergie fluten, etwa um auf seltene, aber heftige Ereignisse wie großflächige Stromausfälle vorbereitet zu sein: Die Miner verarbeiten im Normalfall einen Überschuss, können diesen aber jederzeit ans Netz abgeben.

Bitcoin-Miner sind also ein hilfreiches Werkzeug, um mit dem Überschuss an Strom durch erneuerbare Energien umzugehen. „Auf eine gewisse Weise erlaubt der unbegrenzte Appetit der Miner, dass sie all den Strom konsumieren, der am ‚Bauch der Ente‘ übrig bleibt.“ Daher sei es sinnvoll für die Entwickler von industriellen Stromspeichern, diese mit Bitcoin-Minern zu kombinieren.

Dies wird umso wichtiger, je stärker der Bedarf nach grünem Strom ansteigt – etwa durch Elektroautos.

Wie Mining die Strom-Infrastruktur verändern kann

Danach schaut das Paper auf die konkreten Beiträge, die das Mining zur Energiewende leisten kann. Dabei kommen die Autoren auf die 200 Gigawatt an erneuerbaren Energien zurück, die in lediglich drei US-Märkten zurückgehalten werden, weil die Netze nicht die notwendige Kapazität bieten. Was, im Kontext betrachtet, doppelt so viel ist, wie in der entsprechenden Region derzeit an Wind- und Solarenergie produziert wird.

Das Problem dürfte in Deutschland vertraut klingen. Schließlich hemmt auch hier das Fehlen einer kapazitätsstarken „Stromautobahn“ den Fortschritt der Energiewende, da im flachen Land im Norden – etwa im Brandenburg – oder in der Nordsee zwar beinah unbegrenzt Windenergie erschließbar ist, diese aber nicht den Weg zu den industriellen Großverbrauchern im Süden und Wesen findet.

Wenn es gelingt, die noch nicht erschlossenen Potenziale für Wind- und Solarenergie zu nutzen, ist anzunehmen, dass die Stromentstehungskosten weiter sinken. Das führt zu einem faszinierenden Ausblick: „Neue Anwendungen für Strom können profitabel werden, etwa die Entsalzung von Wasser, das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre oder die Produktion von grünem Wasserstoff.“ Einige Experten nehmen sogar an, dass die Grenzkosten für die Produktion von mehr Strom sich einmal dem Nullpunkt nähern werden.

Eine weitere Folge wäre „eine weitgehende Transformation der Bitcoin-Mining-Industrie.“ Derzeit gebe es eine Mining-Kapazität von schätzungsweise 10-20 Gigawatt. Wenn man nur 20 Prozent der oben genannten 200 Gigawatt ins Mining stecke, würde man mit 40 Gigawatt den derzeit existierenden Markt überflügeln.

Diese Miner wären zwar vor das Netz geschalten, um grüne Energien zu verbrauchen, für die das Netz keine Kapazitäten hat. Allerdings würden sie weiterhin zumindest zum Teil Strom aus dem Netz entnehmen, wenn es für sie profitabel ist, zu minen, während Sonne und Wind keinen Überschuss produzieren. Sie wären, so das Paper, „nicht vollständig grün vom ersten Tag an.“

Doch wenn Strom aus Solar- und Windkraft weiter günstiger wird, würde der Trend zum Mining aus regenerativen Energiequellen fortschreiten. Miner würden so zum essenziellen Element einer grünen Stromversorgung werden.

Ist eine Energiewende ohne Miner zum Scheitern verurteilt?

Ohne Mining, so eine Kalkulation der Analysten, kann Solarenergie nur 40 Prozent der Netzkapazität bedienen „bevor sie Versorger zwingt, das Netz mit erheblichen Investitionen auszubauen, was wiederum die Strompreise erhöhen wird.“ Das Mining hingegen ermöglicht es Stromerzeugern „die Arbitrage zwischen Strom- und Bitcoin-Preisen abzuschöpfen“ und einen Überschuss an Solarenergie zu verkaufen.

Anders gesagt: Dank der Miner können die Produzenten von Solarenergie „fast die gesamte Kapazität des Netzes bedienen, ohne weniger profitabel zu werden.“

Es ist kontraintuitiv, aber sinnvoll: Je mehr grüne Energie die Stromversorger ins Mining stecken, desto höher wird der Anteil, den grüne Energien am gesamten Stromverbrauch einnehmen können. Und genau darum geht es doch, oder?

Offen bleibt nur eine Frage: Ab wann werden Energiepolitiker die Subventionierung von Bitcoin-Minern ins Programm aufnehmen?

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