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Interner Krieg bei Bitmain behindert Auslieferung neuer Asic-Miner

source-logo  bitcoinblog.de 15 Juni 2020 13:40, UTC

Es muss derzeit ziemlich kompliziert sein, für Bitmain zu arbeiten. Der weltweit größte Hersteller von Mining-Geräten versinkt im Chaos, weil sich die beiden Chefs, Jihan Wu und Micree Zhan, überworfen haben. Mitarbeiter wissen nicht mehr, wer ihr Boss ist und wessen Anweisungen sie folgen sollen. Nun stockt deswegen anscheinend auch die Auslieferung der neuen AntMiner T19.

Wer Bitmain nicht schon länger beobachtet, wird sich schwer tun, den internen Wirtschaftskrimi nachzuvollziehen. Wie konnte es dazu kommen, dass das Unternehmen von einem geplanten Börsengang, der einer der größten in der chinesischen Wirtschaftsgeschichte werden sollte, dahin fiel, dass der Zank zwischen den beiden Geschäftsführern zu einer „Hardfork“ führt, die das gesamte Unternehmen lähmt?

Begonnen hat alles vermutlich damit, dass Jihan Wu, einer der beiden Gründer von Bitmain, allzu offensiv Bitcoin Cash (BCH) unterstützte, und in diesem Zuge mehr als eine Million BCH in den Firmenwallets ansammelte, die allerdings rasch an Wert verloren haben. Gleichzeitig entwickelten er und sein Ko-Gründer Micree Zhan immer weiter auseinanderdriftende Vorstellungen von der Zukunft von Bitmain. Während Jihan Wu weiterhin vollständig auf die Herstellung von Mining-Geräten setzten möchte, plant Micree Zhan, stärker in die Herstellung von Asics für künstliche Intelligenz zu diversifizieren.

Schon Mitte 2018 zeigten sich die Grenzen des Geschäftsmodells der Firma, als sowohl Ethereum als auch Monero ankündigten, den Hashing-Algorithmus der Kryptowährungen so zu ändern, dass die Asics von Bitmain außer Kraft gesetzt werden. Bitmain war schon zu diesem Zeitpunkt auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass Asic-fähige Blockchains wie Bitcoin ihre Dominanz behalten – und dass ein Anstieg des Preises die Einnahmeausfälle der Miner durch die Halvings langfristig ausgleicht. Das war bereits eine äußerst riskante Wette, als Bitmain im Oktober 2018 einen Börsengang von bis zu 20 Milliarden Dollar geplant hatte (der waghalsige Börsengang von Bitmain).

Danach ging fast alles schief: Der Börsengang platzte, weil sich mehr und mehr Investoren zurückzogen. Es kam zur Fork von Bitcoin Cash, bei der sich Bitcoin SV abspaltete. Bitmain hätte zumindest die Macht gehabt, die Fork zu verhindern oder zu verzögern, hat dies aber nicht genutzt. Danach sackte der Preis von Bitcoin Cash extrem ein, was zu Gerüchten führte, dass Bitmain auf dem Weg in die Pleite war, was durch eine Entlassungswelle quer durch das Unternehmen bestätigt wurde. Im Zuge dieser Entwicklung musste Jihan Wu den Posten als CEO abgeben, woraufhin sein Mitgründer Micree Zhan das Unternehmen führte.

Im Oktober 2019 „putschte“ Wu jedoch. Als Zhan gerade auf Dienstreise war, marschierte Wu im Beijinger Hauptquartier ein, forderte die Wachen auf, Zhan nicht hineinzulassen, sperrte dessen E-Mail-Account und wies die Mitarbeiter an, fortan keine Anweisungen von Zhan mehr entgegenzunehmen. Danach entbrannte ein interner Kampf um die Hoheit im Unternehmen, da Zhan sich dieses nicht so einfach wegnehmen lassen wollte.

Das vielleicht erstaunlichste an diesem internen Krieg ist, dass Bitmain weiterhin wie am Schnürchen funktionierte. Das Unternehmen stellt weiterhin die besten Asic-Miner her, also die mit dem besten Preis-Einnahmen-Verhältnis, und es ist weiterhin ein zuverlässiger Lieferant der Geräte. Zwar hat Bitmain einige Marktanteile an den Mitbewerber Microbt abgeben müssen, beherrscht aber weiterhin den Markt. Der Anfang Juni angekündigte neue Miner T19 soll nun die verlorenen Marktanteile wieder zurückerobern.

Hinter den Kulissen spielen sich derweil dramatische Ereignisse ab. Anfang Juni berichtet das chinesische Krypto-Magazin 8btc darüber, wie Zhan mit einem Team von Wächtern in das Büro in Beijing „eingebrochen“ ist, um seine Rückkehr bekanntzugeben. Zhan sandte den Angestellten von Bitmain einen Brief über WeChat, in dem er sie aufforderte, wieder wie normal zur Arbeit zu gehen, da die Corona-Pandemie in China unter Kontrolle sei. Er kündigte ferner an, das Unternehmen zu einem Börsengang zu führen und die Marktkapitalisierung im Laufe der nächsten drei bis fünf Jahre auf mehr als 50 Milliarden Dollar zu bringen. Darüber hinaus händigte er Mitarbeitern, die ihm folgten, einen Bonus von 1.500 Dollar aus.

Zhan hatte schon zuvor mehrere Gerichtsprozesse von den Cayman-Inseln und China aus angestoßen, um seine Rolle bei Bitmain wieder zu erhalten. In einem der Prozesse fror ein Gericht 36 Prozent von Anteilen des Investors Fujian Zhanhua ein, was etwa 500.000 Dollar waren. Vor einem Gericht in Beijing gewann Zhan ebenfalls, woraufhin es ihn als rechtsgültigen Repräsentanten von Bitmain registrierte. Allerdings wurde er danach von etwa 50 Mitarbeitern von Bitmain aufgehalten und seine Lizenz wurde „gestohlen“. Wu sagte den Mitarbeitern derweil, sie sollten nicht auf Zhans „Bullshit“ hören. Er beschuldigte den ehemaligen Partner, Bitmains Wachstum ruiniert und mehrere Milliarden Dollar an Firmenwert vernichtet zu haben.

Nun kontrolliert Zhan die Fabrik in Shenzhen, in der Mining-Geräte hergestellt werden. Dort verbietet er wohl nun den Angestellten, die Miner auszuliefern. Bitmain reagiert damit mit der Ankündigung, den Konflikt auf dem Rechtsweg zu lösen. Zhan wiederum hat es geschafft, den Zugriff auf den Account der Firma in sozialen Medien zu erhalten, und nutzt diesen, um anzukündigen, dass das Siegel von Bitmain geändert wurde, so dass nur noch er es ausstellen kann. Rund ein Drittel der Mitarbeiter scheint Zhan zu folgen; diese Mitarbeiter stammen überwiegend aus dem Bereich Künstliche Intelligenz. Die Behinderung der Auslieferung der neuen Miner könnte zum Ziel haben, die Mining-Sparte zu schädigen, um der KI-Abteilung mehr Gewicht im Unternehmen zu verleihen.

Man könnte den internen Konflikt bei Bitmain mit einer Krankheit vergleichen. Zuerst gibt es eine lange Inkubationszeit, dann bricht die Krankheit aus, das Immunsystem kämpft, und es kommt zu ersten Entzündungen und Fieberschüben. Nun hat sie den Zustand erreicht, in dem der Patient beginnt, einige wichtige Funktionen zu verlieren.

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